Eine Rezension von Gerhard Keiderling


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Die gesamtdeutschen Hoffnungen der Liberal-Demokraten

 

Bernard Bode: Liberal-Demokraten und „deutsche Frage“
Zum politischen Wandel einer Partei in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR zwischen 1945 und 1961.
Mit einem Vorwort von Wolfgang Mischnik.

Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt/M. 1997, 394 S.

 

Der Berliner Gründerkreis der Liberal-Demokratischen Partei (LDP) um Waldemar Koch, Wilhelm Külz und Eugen Schiffer betrachtete sich im Sommer 1945 als „Reichsparteileitung“. Sein gesamtdeutscher Führungsanspruch, der unitaristisch sein mußte, stieß von Anbeginn auf heftige Ablehnung im föderalistisch orientierten Westen. Die LDP (die Abkürzung LDPD bürgerte sich zu Beginn der 50er Jahre ein) konnte sich nur als Ostzonenpartei entwickeln, wodurch sie unlösbar in das Getriebe des „Blocksystems“ geriet und sich von der SED wiederholt als Konkurrent zur CDU instrumentalisieren ließ. Diese Zwänge bestärkten das liberal-demokratische Bemühen der ersten Nachkriegsjahre, „durch den zügigen Aufbau einer gesamtdeutschen Partei einen Beitrag zur organisatorischen Verklammerung der Zonen zu leisten“ (S. 45) und „den deutschen Parteien eine Schlüsselstellung für mögliche Beratungen über die Errichtung eines gesamtdeutschen Staates zu sichern“ (S. 53). Es waren Zielstellungen, die allein das Wohlwollen der sowjetischen Besatzungsmacht fanden. Der Parteivorsitzende Dr. Wilhelm Külz rechnete seit Ende 1946 mit der Bildung von zwei deutschen Staaten (S. 54). Aus dieser Sorge wird verständlich, warum der Reichsminister a.D. seine Partei in die von der SED initiierte Volkskongreßbewegung führte und dabei Umwege und Kompromisse, die man ihm schon damals vorhielt, in Kauf nahm. Eine Bestätigung seines Kurses sollte Külz nicht mehr erfahren, er starb am 10. April 1948.

Bernard Bode hat diese dramatische Zeit im ersten Kapitel seiner Arbeit, mit der er 1996 an der Universität Bonn promovierte, detailliert beschrieben. Das Scheitern der Külzschen gesamtdeutschen Konzeption ist ihm Anlaß zur Frage, ob es auch in den fünfziger Jahren einen relativ selbständigen Beitrag der LDPD zur Lösung der „deutschen Frage“ gegeben hat. Diesem Anliegen widmet sich Bode in vier weiteren Kapiteln, die im Kontext mit der allgemeinen Entwicklung in folgende Phasen gegliedert sind: 1948 bis Sommer 1952, Herbst 1952 bis Herbst 1955, 1956/57, Herbst 1957 bis 1961. Jedem Kapitel ist eine Beschreibung der „internationalen Rahmenbedingungen“ vorangestellt.

Ohne hier im einzelnen Inhalte und Aktivitäten dieser Phasen referieren zu können, steht das Bild einer Partei vor Augen, die ungeachtet ihrer Abhängigkeit von der SED und ihres minimalen Aktionsradius bis zuletzt, d. h. bis zum Mauerbau 1961, an einer gesamtdeutschen Option festhielt, obwohl sie schon seit Jahren im freidemokratischen Lager der BRD keine ernsthaften Gesprächspartner mehr fand. Gestützt auf die Akten der LDPD, der SED und anderer ehemals Ostberliner Archive, zeichnet Bode akribisch die deutschlandpolitischen Bemühungen nach: die Pflege von Partei- und Geschäftsbeziehungen, die „Deutsche an einen Tisch“-Missionen im Rahmen der „Westarbeit“ der SED und des Nationalrates der Nationalen Front, die Gespräche zwischen LDPD und FDP in Garmisch-Partenkirchen und in Weimar 1956 und schließlich das Debakel der Dieckmann-Reise im Januar 1961 nach Marburg. Über die Handhabung der LDPD „als ,bürgerlichen Türöffner‘ in die Bundesrepublik“ (S. 382) durch die SED gab es im Parteivorstand um Loch und Dieckmann den Quellen nach keine Illusionen. Daß die LDPD wie auch die CDU gesamtdeutsche Sehnsüchte der DDR-Bevölkerung repräsentierten, sollte nicht unterschlagen werden. Westintegration und Wiederbewaffnung im Westen wurden nicht nur im Osten als reales Hindernis zur deutschen Einheit gesehen. Leider findet der Leser in diesem Kontext wenig, was die FDP zu ihrer prinzipiellen Antihaltung gegenüber ihrer „Schwesterpartei“ im Osten bewog; dabei stand der Gummersbacher Fundus dem Autor uneingeschränkt zur Verfügung.

Die Gleichschaltung der LDPD nach 1949 und erst recht nach 1952 betraf nicht nur die Deutschlandpolitik, wie man aus der Lektüre dieses Buches schließen könnte. Entscheidend war das vorbehaltlose Bekenntnis zum „Aufbau des Sozialismus“. Damit kettete sich die Partei innen- wie außenpolitisch an die Politik der SED und übernahm in beiden Bereichen entsprechende Verpflichtungen. Die Wechselwirkungen zwischen beiden Politikfeldern hinsichtlich der „nationalen Frage“ nicht genügend beachtet zu haben ist ein Manko der Arbeit.

Es reicht nicht aus, „Weg und Wandel der Liberal-Demokratischen Partei und der sie prägenden Personen anhand ihrer Einstellung zur ,deutschen Frage‘ nachzuzeichnen und zu beurteilen“ (S. 357).

Von diesen kritischen Hinweisen abgesehen, handelt es sich um eine vorzügliche, an den Quellen recherchierte und insgesamt gut in die zeitgeschichtliche Epoche projizierte Darstellung. Es ist zu wünschen, daß der Verfasser Kraft und Zeit findet, das Thema vom Mauerbau 1961 bis zur deutschen Einheit 1990 fortzuführen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 4/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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