Eine Rezension von Christel Berger


Ost-West-Liebe. Trotz vieler Mißverständnisse schließlich ein Happy-End

Jeanette Lander: Robert
Roman.

Aufbau-Verlag, Berlin 1998, 223 S.

 

Jeanette Lander; 1931 in New York geboren, in Atlanta aufgewachsen, Studium der Anglistik, Amerikanistik und Germanistik in den USA und Westberlin. In letzterem zeitweise, aber auch in Sri Lanka wohnend, bis sie 1986 bis heute ihre Zelte in Berlin aufschlug - diese Frau schreibt einen Roman, eine Liebesgeschichte zwischen einem „Wessi“ und einer „Ossi“, und das fällt bei der Welt- und Lebenserfahrung der Autorin doch etwas anders aus, als wenn ein „Insider“, bzw. „Betroffener“ diesen Stoff anpackt. (Aber ist sie nicht auch „betroffen“? Das wohl, sonst würde sie die Alltagsdetails nicht so gut kennen. „Nicht betroffen“ meint: souveräner, weil nicht allein aus diesem Land oder einem Teil davon Erfahrung beziehend.)

Robert, der Hamburger, erfolgreicher Karikaturist und nicht mehr so ganz jung, lernt Katja, die Ostberliner Slawistin, kennen und verläßt ihr zuliebe die alte Heimat, bezieht eine Berliner Altbauwohnung, natürlich im Prenzlauer Berg. Wer wegen dieses „Kult-Ortes“ weitere mittlerweile arg strapazierte Ost-West-Klischees (denen die Autorin vielleicht bei einigen Nebengestalten wie der früheren Frau Roberts nicht entgangen ist) befürchtet, wird positiv überrascht. Jeanette Lander führt uns weder einen für die Ost-Lebensvorstellungen vollkommen verständnislosen und uninteressierten arroganten West-Mann vor noch eine mitleidsheischende, entwurzelte Ost-Frau. Obwohl Katja ihre Arbeit, die ihr viel bedeutet, verloren hat. Obwohl es eine Menge Mißverständnisse zwischen ihnen gibt. Aber die sind diffiziler, erwachsen sowohl aus der unterschiedlichen sozialen Prägung als auch dem besonderen Charakter der beiden Protagonisten und deren jeweiliger Lebenssituation. Robert ist von seiner Frau verlassen worden, er hängt an den beiden Töchtern, die sich seinem Einfluß langsam entziehen. Ein Mann also auch in einer Lebenskrise, der - das macht die Autorin sehr allmählich und behutsam deutlich - eine Frau wie Katja sehr braucht. Sie ist nicht zufällig, sondern sehr bewußt Single, sie wollte stets selbst entscheiden, wann sie in ihrer Wohnung und in ihrem Bett allein oder zu zweit ist. Obwohl sie die weitaus mehr von der Wende Betroffene ist - sie hat die Arbeit verloren, ihr Fach wird kaum noch gebraucht, alles in ihrem Lebenskreis hat sich verändert und nicht immer zum Besseren -, erscheint sie kraft sehr vernünftiger Lebenseinstellung und stabilen Wertebewußtseins als die Stärkere. Ihr ist Solidarität und Sich-Kümmern um den anderen, wenn der es braucht, selbstverständlich. Sie hat keine Besitzansprüche gegenüber Menschen. Sie fragt bei ihren Hilfeleistungen nicht zuerst danach, was materiell für sie herausspringt. Aber dessen müssen sich die beiden Liebenden erst bewußt werden, sie müssen es erleben, denn die vorhandenen Verständigungsschwierigkeiten sind erheblich, vor allem weil sie das ganz Innere des einzelnen betreffen. Selbst die Versuche, sich zu erklären, produzieren beim Partner falsche Vorstellungen. Allein gemeinsame Erfahrung und Geduld miteinander kann da wohl allmählich wirkliches Verständnis bewirken.

Eine interessante Konstellation, die nicht nur ungewöhnliche Akzente hinsichtlich Ost/West setzt, sondern natürlich auch viel damit zu tun hat, daß der eine der Mann und sie eine Frau ist.

Und nun der Trick, das Verrückte am Buch: Jeanette Lander läßt Robert erzählen. Der Mann, der Schwächere, der Wessi als Erzähler der Geschichte mit oben beschriebener Konstellation! Daß das Ganze nicht durchweg komisch (ein bißchen schon!) gerät, ist die Leistung und der Wille der Autorin. Sie nimmt den Lernprozeß, die Schwierigkeit ihres Helden ernst und wichtig, sie läßt ihn (und vor allem den Leser!) sehr allmählich begreifen, welche Lebenschance ihm die Begegnung und eine dauernde Beziehung mit Katja vermittelte. Und so endet die Geschichte sogar optimistisch mit der Hoffnung auf ein Kind, und mir scheint, daß die in Deutschland lebende Amerikanerin damit mehr meint als nur das Schicksal dieses einen Paares.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 4/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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