Eine Annotation von Christian Berger


Bronnen, Barbara: Friedhöfe

Warum ich für mein Leben gern auf Friedhöfe gehe.

Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1997, 140 S.

 

Kommen Sie mal auf den Friedhof, eh Sie auf den Friedhof kommen! Friedhöfe sind nicht nur für den November da. Friedhöfe sind nicht nur für die Toten da. Friedhöfe sind nicht nur für die Trauer da. Friedhöfe sind für die Lebenden da. Friedhöfe sind für die Freude da. Auf dem Friedhof erlebt sich das Ich intensiver. Der Weg zu den Toten kann der kürzeste Weg zu sich selbst sein. Behauptet Barbara Bronnen nicht nur. Die Schriftstellerin und Publizistin weiß um die Lebenshilfe der Friedhofsbesuche. Barbara Bronnens Buch Friedhöfe ist ein dem Leben gewidmetes Buch.

Wer einen Friedhofsführer erwartet, wird enttäuscht. Enttäuschte werden überrascht. Die Autorin bietet Bronnen-Biographie: eine Nacht am Grabe des Arnolt Bronnen. Des Vaters. Der ruht auf dem Friedhof der Berühmten, auf dem Dorotheenstädtischen, an der Berliner Chausseestraße. Die Begegnungen mit mehr oder minder bekannten Gräbern und Gottesäckern wurden für die Münchnerin zu einer guten Gelegenheit, Annäherungen an die Sterblichkeit, das Sterben, den Tod zu versuchen.

Das Thema des Buches ist der Tod. Jedes Kapitel, also jede Annäherung, ist auch ein Versuch der Verringerung der Ängstlichkeit vor Sterblichkeit, Sterben und Tod. Die Angst vor dem Sterben, das schlimm sein kann, kann Bronnen nicht ausmerzen. Die Schriftstellerin ist keine Predigerin besänftigender Sterbe- oder Todesphilosophien. Sie ist keine kunst-, kult-, kulturbeflissene Friedhofsführerin. Als Beobachterin der Friedhofskultur ist Bronnen zu einer genaueren Beobachterin ihrer Lebenskultur geworden. Will Barbara Bronnen ein Beispiel geben? Friedhöfe geben ein Beispiel. Jeden Tag. Jedem, der sie besucht. Barbara Bronnens Buch ist eine Blume für alle Friedhöfe der Welt.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 4/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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