Eine Annotation von Licita Geppert


Mischke, Susanne: Die Eisheilige

Roman.

Piper Verlag, München 1998, 290 S.

 

Sophie hat den bösen Blick, den sie nur von ihrer heilkundigen Großmutter, der „kalten Sophie“, geerbt haben konnte! Um aus den unsäglichen Verhältnissen ihres Elternhauses auszubrechen, hatte Sophie den Lehrer Rudolf Kamprath geheiratet und war mit ihm in die Stadt gezogen. Hier lebt sie, die Analphabetin, lange Zeit völlig isoliert, bis sie eines Tages von ihrer Nachbarin Frau Weinzierl gebeten wird, dieser ein Kleid zu nähen. Frau Weinzierl, eine esoterisch angehauchte Tratsche, wird Zeugin eines ungeheuerlichen Vorfalls: Bei einer Anprobe erlebt sie, wie Sophie den widerwärtigen Menschen, der Frau Weinzierls Haus streicht und gerade auf deren heißgeliebte Rosen uriniert, durch eine bloße Verwünschung vom Leben zum Tode befördert.

Von nun an kann sich Sophie vor doppeldeutigen Aufträgen nicht mehr retten, und sie erledigt ihre Arbeit - wie es scheint - zur vollen Zufriedenheit ihrer Klienten, bis eines Tages ihr eigener Mann Rudolf nicht mehr von einem Jagdausflug zurückkehrt. Sophie bezichtigt sich nach Wochen des Mordes; die Nachbarinnen hatten es sowieso von Anfang an gewußt ... Dies berichten sie zumindest der Polizei. Erstaunlicherweise stellt sich im Laufe der Ermittlungen heraus, daß jeder mit jedem irgendwie verbandelt ist: Sophies hinkende Anwältin ist die Exfrau des Toten, ihr Mitarbeiter Axel wohnt in Sophies Straße bei einer ihrer Kundinnen und so weiter und so fort ...

Susanne Mischke läßt den Roman spannend und mysteriös beginnen, erliegt dann aber der Versuchung, das gesamte Personal mit übertriebenen Kauzigkeiten und anderen Eigenheiten auszustatten, von Esoterikgläubigkeit über Herrschsucht, körperliche und andere Gebrechen, bis hin zu lesbischen, schwulen und inzestuösen Beziehungen. Jedes erdenkliche soziale oder zwischenmenschliche Problem wird angerissen. Die prickelnde Spannung, die sie zunächst gekonnt aufzubauen versteht, läßt sie durch die sich in Banalitäten verlierenden Erklärungen für die Todesfälle wie eine Seifenblase zerplatzen, um schließlich eine durch nichts vorbereitete und völlig unverständliche Schlußwendung das Vorherige erneut in Frage zu stellen.

So verschenkt sie einen Stoff, der alles Zeug zum Psychothriller gehabt hätte, und hinterläßt den Leser unbefriedigt mit drei aufgeklärten Todesfällen und einem Rätsel.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 4/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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