Eine Rezension von Klaus Ziermann


Eine gelungene Friedrich-Luft-Monographie

Petra Kohse: Gleiche Stelle, gleiche Welle -
Friedrich Luft und seine Zeit.

Aufbau-Verlag, Berlin 1998, 337 S.

 

Dieses Buch steht dem Aufbau-Verlag gut zu Gesicht und ordnet sich lückenlos ein in seine bemerkenswerten Publikationen, die - wie das von Günther Rühle herausgegebene Alfred-Kerr-Buch Wo liegt Berlin? - neuere deutsche Kultur- und Kunstgeschichte sachkundig aufarbeiten. Daß Friedrich Luft mit seiner Sendung „Stimme der Kritik“ im RIAS fast ein halbes Jahrhundert lang ein Phänomen war, das diesseits und jenseits der deutsch-deutschen Grenze erstaunliche geistige Wirkung erzielte, ist allgemein bekannt. Nun hat Petra Kohse Anlauf genommen, dieses Phänomen wissenschaftlich näher in Augenschein zu nehmen und „Friedrich Luft und seine Zeit“ auszuleuchten.

Es ist ein erstaunlich frisches, informatives und von pulsierendem Leben dieser Epoche geradezu überschäumendes Buch geworden, das die 32jährige Theaterwissenschaftlerin und Publizistin vorgelegt hat. Daß Petra Kohse Luft-Anhängerin durch und durch ist, spürt man schon in den ersten Seiten der „Vorbemerkung“: „Friedrich Lufts rascher Aufstieg nach Ende des Zweiten Weltkriegs zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten des kulturellen Lebens in Berlin kam nicht von ungefähr“, so klingt der Grundton an. „Als bildungsbürgerlicher Individualist verbrachte er die Nazizeit dank finanzieller Unabhängigkeit, ohne sich ins System zu verstricken, und konnte dennoch erste feuilletonistische Texte veröffentlichen. Luft nahm teil an einem Kulturleben, das liberal genug, um gefährdet, doch vorsichtig genug war, um illegal zu sein. Er kannte Künstler und Intellektuelle, und sie kannten ihn. So war er im Sommer 1945 nicht nur zufällig zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle, wie er es später, überzeugter Populist, der er war, als eine Art Berliner Traum der Nachkriegszeit gerne darstellte. Er hatte das Glück und Talent, bekam eine Chance und nutzte sie.“ (S. 8)

In vier Teilen - „Wer von uns ist ein Held?“, „Die Gespräche müssen funktionieren“, „Theater ist in dieser Stadt mehr als ein Luxus“ und „Der Kritiker hält den Tempel rein“ - wird untersucht, wie Friedrich Luft seine geschichtliche Chance nutzte. Mehr noch: In einer immensen Forschungs- und Archivarbeit hat Petra Kohse im Gefolge der Denkstrukturen und Haltungen von Friedrich Luft ihre eigene unverwechselbare und überzeugende geistige Dimension zur Aufarbeitung Berliner Kulturgeschichte gefunden. Die Darstellung des Verhältnisses von Friedrich Luft zu Bertolt Brecht und zum Brecht-Drama von Günter Grass markiert dafür einen Höhepunkt geistiger Souveränität.

Legt man das Buch nach der Lektüre aus der Hand, hat man eigentlich nur Gewinn. Man kann sogar auf der Titelseite noch einmal Friedrich Luft lässig in seinem Sessel sitzen sehen, den Hut schräg auf dem Kopf, die obligate Pfeife im Mund und die Schreibmaschine auf dem Schoß: so, als tippe er an einer seiner berühmten Kritiken.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 3/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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