Eine Annotation von Maria Careg


Ruebsamen, Helga: Das Lied und die Wahrheit

Roman. Aus dem Niederländischen von Christiane Kuby.

Kiepenheuer, Leipzig 1998, 382 S.

 

Helga Ruebsamen, gebürtig in Batavia, seinerzeit Niederländisch-Indien, erzählt mit der naiven Geschwätzigkeit eines kleinen Kindes die Geschichte ihres Lebens, das mit unbeschwerten, friedvollen Jahren in Bandung beginnt. Louise, das phantasievolle Kind, unterscheidet die Menschen in Tag- und Nachtmenschen, die zwar dieselben Personen bleiben, ihre Persönlichkeit jedoch nach der Tageszeit zu wechseln scheinen. Ähnliche Zuordnungen wird sie im ganzen Buch beibehalten. Aufgewachsen mit der landläufigen Vermischung der christlichen mit der buddhistischen Glaubenswelt, in der die Götter den Lebenden sehr nahestehen, vermischen sich für Louise Traum und Realität, Tag und Nacht, Gut und Böse. Der Zweite Weltkrieg macht vor diesem idyllischen Leben nicht halt. Der beengte Haushalt der Großmutter wird zum ersten Unterschlupf im kriegsgequälten Europa, bis der Vater mit seiner Tochter in einem Versteck untertauchen muß. Dadurch werden die Familienbande zerrissen, das Kind in große Verzweiflung gestürzt, eine Welt bricht zusammen. Aber auch die größte Angst wird irgendwann zur Normalität, das Leben geht trotz unaufhörlicher Schicksalsschläge weiter, und Louise überlebt dank ihrer inneren Stärke, die dem Mädchen geistig-phantasievolle Auswege aus dem tragischen Geschehen um sie herum ermöglichen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 3/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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