Eine Annotation von Alice Scemana


Marciano, Francesca: Himmel über Afrika

Roman. Aus dem Englischen von Barbara Schaden.

Karl Blessing Verlag, München 1998, 349 S.

 

Riesig ist er, der Himmel über Afrika, größer als anderswo, und er überspannt einen Kontinent, dessen Schönheit fast alle verfallen, die ihn je betreten. „Le mal d’Afrique“ nennen die Franzosen diese nicht enden wollende Leidenschaft, die die Kolonie der Weißen in Kenia befallen hat. Sie leben ein seltsames Leben, wie Inselbewohner inmitten des Ozeans. „Wir sind wie Geister in diesem Land, wir können nirgendwo mitreden, wir dienen keiner Sache. Wir glauben nicht an dieses Land. Wir sind nur wegen seiner Schönheit hier. Und das ist doch entsetzlich, findest du nicht?“ Keiner von ihnen wird zurückgehen wollen, obwohl der Rausch Afrikas nicht immer die geistige Leere ausfüllen kann, die unter den Weißen herrscht. Keiner nennt einen Schwarzen seinen Freund, man lebt in säuberlich getrennten Welten, ohne rassistisch sein zu wollen. So bleibt man nur unter sich, weshalb jeder über jeden alles weiß, Geheimnisse sich kaum verbergen lassen und in den Beziehungen das Bäumchen-wechsle-dich-Spiel gespielt wird.

So ergeht es auch Esmé, einer jungen Italienerin, die nach dem tragischen Tod ihres geliebten Vaters, eines berühmten Dichters, vom Zufall nach Nairobi geweht wird. In einem Safari-Camp lernt sie Adam kennen, und beide sind einander vom ersten Augenblick an so vertraut, als wären sie schon ein Leben lang zusammen. Adam lehrt sie, den schwarzen Kontinent zu lieben. Doch als ob zuviel Harmonie eine Krankheit wäre, verliebt sich Esmé leidenschaftlich in Hunter Reed, einen britischen Kriegsberichterstatter, hart und zynisch geworden durch seinen Beruf.

Francesca Marciano, wie ihre Heldin in Kenia lebend und in Italien geboren, vermittelt ein Afrika-Bild, wie es uns aus Romanen und Filmen bereits so geläufig ist, als wären wir selbst dort zu Hause. Sie malt dem Leser die unbestreitbare Schönheit aus, aber sie ist darüber hinaus auch kritisch-distanziert in ihrer Darstellung der weißen Gemeinschaft im Lande der Schwarzen. Eigenes Erleben ist dem Buch deutlich anzumerken, sowohl in den afrikanischen wie in den italienischen Passagen. Die chaotisch-bohemienhafte Kindheit der Protagonistin in einem Haushalt von Trinkern und Drogensüchtigen wird zwar etwas verklärt, wirkt aber dennoch authentisch. Die Figuren sind - zumindest die wichtigsten - gut durchgestaltet und glaubwürdig. Ihre an Filmdrehbüchern geschulte Schreibweise bürgt für gelungene Dialoge und intelligent-geläufige Darstellung. Alles in allem ein schöner, interessanter und lesenswerter Debütroman.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 3/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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