Eine Rezension von Hans Hauser


Preußischer Kulturbesitz im Umbruch

Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz, Band XXXIV.

Gebr. Mann Verlag, Berlin 1998, 463 S., mit 71 Abb.

 

Kurz nach Erich Honeckers Machtantritt als SED- und Staatschef (1971) wurden die Museen und Bibliotheken in der DDR mit dem Ansinnen konfrontiert, ihre Bestände nach Objekten zu durchkämmen, die sich für Devisen nach dem Westen verkaufen lassen. Das war nicht neu. Schon unter Stalin waren in der Sowjetunion hochkarätige Juwelen aus dem Besitz der Zaren sowie Gemälde und Möbel aus großen Museen für Dollars und Schweizer Franken verhökert worden. Gegen die Aktion „Kunst gegen Devisen“, für die eigens die berüchtigte Kunst und Antiquitäten GmbH ins Leben gerufen wurde, haben sich die Mitarbeiter der Staatlichen Museen im damaligen Ost-Berlin erfolgreich zur Wehr gesetzt. Wie der inzwischen pensionierte damalige Generaldirektor Günter Schade im 34. Jahrbuch der Stiftung Preußischer Kulturbesitz rückblickend auf die Rolle der Staatlichen Museen zu Berlin in der Kultur- und Bildungspolitik der DDR schreibt, sollten die 15 Museen und Sammlungen Kunstgut im Wert von sechs Millionen Mark „erbringen“. Dagegen wandten sich mutige Mitarbeiter in einem Brief mit dem Hinweis auf die Unvereinbarkeit der „Pflege und Vermehrung von Schätzen der Weltkultur“ mit dem Verkauf von Kunstwerken aus Staatsbesitz. Zwar sei der Brief nicht beantwortet worden, bemerkt Schade, der zu den Unterzeichnern gehörte. Doch aus Sorge vor einer Blamage der DDR, die sich so gern als Hüter des kulturellen Erbes präsentierte, wurde die Aktion abgeblasen. Dies sicher, weil auch führende Kulturfunktionäre bei Honecker interveniert hatten. Schades Nachsatz, demzufolge die Staatlichen Museen nur in wenigen Einzelfällen Sammlungsstücke minderer Qualität gegen wichtige Kunstwerke aussonderten, während sich andere Museen „anders“ verhalten hätten, zeigt, daß der Plan, Kulturerbe zu Geld zu machen, am Ende doch nicht ganz erfolglos war.

Das Ende 1998 veröffentlichte Jahrbuch würdigt eingangs den bisherigen Stiftungspräsidenten Werner Knopp, der zu Jahresbeginn feierlich verabschiedet wurde. Dokumentiert sind die Ansprachen sowie ein Rückblick des nunmehrigen Pensionärs, der erst Ende 1998 in Klaus-Dieter Lehmann einen Nachfolger fand. Im ersten Teil des Jahrbuchs schildert außerdem der bisherige Vizepräsident der Stiftung, Peter Hofmann, die vielen komplizierten Entscheidungen auf dem Weg zur Wiedervereinigung der über beide Stadtteile verstreuten Museen und Sammlungen der Preußenstiftung und die Neuordnung ihrer Bestände, deren Sicherung und Restaurierung große Probleme bereitet, wie in einem der Beiträge am Beispiel der hochgefährdeten Bach-Autographen (Hartmut Böhrenz) anschaulich dargestellt wird.

Deutlich werden in dem Band auch die Mühen um die Sanierung der ziemlich desolaten Häuser auf der Museumsinsel, die inzwischen wegen dringender Rekonstruktionsmaß-nahmen geschlossen sind oder geschlossen werden müssen. Darunter befindet sich auch das Bodemuseum, auf dessen barocken Figurenschmuck Bernhard Maaz in einem der Beiträge näher eingeht. In der Kleinen Kuppelhalle stehen neben zwei berühmten franzö-sischen Gartenplastiken aus der Zeit Ludwigs XV. - Venus und Merkur von der Großen Fontäne im Park von Sanssouci - auch Marmorfiguren Friedrichs des Großen (Kopie nach Schadow) und einige seiner bedeutendsten Feldherren. Schon im 19. Jahrhundert waren die empfindlichen Marmorgenerale vom damaligen Wilhelmplatz genommen und durch teilweise stark veränderte Nachbildungen aus Bronze ersetzt worden. Nach einigen Zwischenstationen fanden die Originale 1904 im Kaiser-Friedrich-Museum, dem heutigen Bodemuseum, ein angemessenes Asyl. Maaz wertet diese Art der Präsentation als Beweis dafür, wie hoch Bode und sein Architekt Ernst Eberhard von Ihne die Schöpfungen friderizianischer Bildhauerkunst schätzten. Mit Blick auf die raffinierte Anordnung der Berliner Skulpturen - in der Großen Kuppelhalle erwartet eine Nachbildung von Schlüters Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten die Besucher, die nach Durchschreiten der mit italienischer Renaissancekunst bestückten Basilika in der Kleinen Kuppelhalle Friedrich dem Großen und seinen Generalen begegnen - bemerkt Maaz: „So werden durch Bode programmatisch zwei kunstgeschichtliche Glanzzeiten und zwei Kunstlandschaften aufeinander bezogen, und so führte Bode denkmalpflegerische Gesinnungen in die Strategie der Berliner Museen ein.“ Voraussichtlich im Jahr 2004, zur Hundertjahrfeier der Eröffnung des dann restaurierten Museums, wird man den perückebewehrten Herrschaften wieder in die Augen schauen können.

Weitere Beiträge des Jahrbuchs stellen wichtige Neuerwerbungen vor, so den für das Museum für Vor- und Frühgeschichte angekauften „Berliner Goldhut“ (Wilfried Menghin), eine Folge italienischer Zeichnungen des 15. bis 19. Jahrhunderts durch das Kupferstichkabinett (Hein-Thomas Schulze Altcappenberg), das Archiv Martin und Bernd H. Breslauer durch die Staatsbibliothek (Peter Jörg Becker) und eine Tenorgeige durch das Musikinstrumenten-Museum (Annette Otterstedt). Im Abschnitt „Forschungen - Planungen - Reflexionen“ finden sich, um nur einige Themen zu nennen, Beiträge über die Identifikation zweier Tafelbilder von Cassone als Hochzeitsbilder Lorenzo de’ Medicis (Hannelore Nützelmann), über „Das Schwarze in Nofretetes Auge“ (Rolf Krauss und Hans-Georg Wiedemann) sowie über die im Geheimen Staatsarchiv befindlichen Fragmente liturgischer Schriften, die aus dem Historischen Staatsarchiv in Königsberg/Preußen stammen (Anette Löffler).


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 2/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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