Eine Annotation von Gerd-Rüdiger Stephan


Laux, Lothar/Schütz, Astrid:

“Wir, die wir gut sind“

Die Selbstdarstellung von Politikern zwischen Glorifizierung und Gleichgültigkeit.

Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1996, 223 S.

Wie der Wahlkampf nicht nur in Deutschland zeigt, geht es in der gegenwärtigen Politik vor allem darum, wie gut oder wie schlecht die Akteure sich darstellen können. Sach- und Kompetenzfragen treten dabei in den Hintergrund. Wichtig scheinen Erscheinungsbild, rhetorische Techniken, Mimik, Gestik und Ausstrahlung. Anhand von Beispielen aus der Bundesrepublik und aus den USA versuchen die Autoren des Bandes „Wir, die wir gut sind“ - beides ausgewiesene Persönlichkeitspsychologen an der Universität Bamberg - eine Analyse dieses Phänomens.

Die Autoren vertreten in ihrer kurzen Einführung (S. 9 ff.) die Auffassung, daß Selbstdarstellung von Politikern vor allem im Spannungsfeld zwischen Glorifizierung (d. h. Anstreben idealer, vorteilhafter Eindrücke) und Glaubwürdigkeit (d. h. Anstreben glaubhafter, überzeugender Eindrücke) stattfindet. Politiker würden sich oft zwischen einer vorteilhaf ten Präsentation eigener Eigenschaften und Fähigkeiten und einer weniger attraktiven, dafür aber glaubwürdigeren Darstellung entscheiden.

In sechs Abschnitten wird das Thema entwickelt. Im ersten Kapitel (S. 13 ff.) behandeln Laux und Schütz die einleitend angesprochene Selbstdarstellung von Politikern zwischen Glorifizierung und Glaubwürdigkeit. Dabei werden u. a. Inhalte der Selbstdarstellung, Einstellung und Erwartung des Publikums, Selbstdarstellung als Integration von Motiven sowie Strategien der Darstellung erörtert. Als Beispiel dient die Entwicklung in der SPD Mitte der neunziger Jahre.

Im zweiten Teil (S. 62 ff.) geht es um Regieanweisungen für die Selbstdarstellung. Dabei werden im Vergleich von drei US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen (1984 Reagan gegen Mondale; 1988 Bush gegen Dukakis; 1992 Bush gegen Clinton und Perot) Wahlkampfauftritte und Wahlkampfberater sowie Wahlkampfstrategien im Auftreten der Kandidaten analysiert.

Der dritte Abschnitt (S. 114 ff.) befaßt sich mit Reaktionen in politischen Skandalen. Die Verteidigung bedrohter Selbstbilder wird am Beispiel der Affäre Uwe Barschel diskutiert.

Der vierte Teil (S. 141 ff.) behandelt als Alternative zu übertriebenen Formen politischer Präsentation die Individualisierung der Selbstdarstellung: Inszenierte Gefühle, Betroffenheitskult, Kommentierung von Wahlergebnissen u. a. m.

Als fünftes Kapitel folgt ein Interview mit dem langjährigen Leiter des ZDF-Studios Bonn, Wolfgang Herles, über dessen persönliche Erfahrungen als Journalist im Umgang mit Politikern.

Im abschließenden sechsten Teil (S. 207 ff.) versucht sich Laux an einem kurzen Resümee der Perspektiven. Der Schlußsatz lautet bezeichnend: “Die Zukunft der Selbstdarstellung in der Politik hat jedenfalls längst begonnen.“ (S. 215) Innerhalb kurzer Frist haben schließlich elektronische Kunstformen bzw. Multimedia in die politischen Präsentationen Einzug gehalten. Ob es dazu noch Alternativen gibt, bleibt im vorliegenden Band allerdings offen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 2/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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