Eine Rezension von Karla Popp


Der Markt - von rechts und von links betrachtet

Bodo H. Hauser/Ulrich Kienzle: SchwarzRotGeld

Der offizielle deutsche Marktführer.
Herausgegeben von Stephan Reichenberger unter Mitarbeit von Friederike Rasponi und Dorothea Friedrich.

Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1996, 368 S.

Mit ihrem Buch SchwarzRotGeld legen die beiden Leiter und Moderatoren des ZDF-Magazins „Frontal“ einen „offiziellen deutschen Marktführer“ vor. Offiziell sind im vorliegenden Werk ausgewählte Ereignisse, Sachthemen und Personen, die uns in den vergangenen Jahren durch die verschiedenen Medien bekanntgegeben wurden. Markt ist hier vorwiegend - aber nicht nur - ökonomisch gemeint. Markt ist der Platz, auf dem etwas geschieht, genauer gesagt: geschah. Und durch dieses Geschehen führen uns die beiden Autoren mit ihrer jeweils rechten und linken Meinung, damit wir uns besser orientieren können.

Das Buch lebt von einem „Lexikon der Wirtschaft“ und Cartoons, Kommentaren, Glossen, Interviews, Nachrichten im flotten Wechsel sowie von der, wie der Leserin und dem Leser immer wieder mitgeteilt wird, unterschiedlichen Sichtweise der Autoren. Bereits das Inhaltsverzeichnis macht neugierig. Die Kapitel werden als Raten vorgestellt, sieben sind es im ganzen, dazu Einführung und Nachworte.

In Anmerkungen wirbt der Herausgeber Stephan Reichenberger beim Leser mit sieben Gründen für den Buchkauf. (Die Zahl Sieben wird des öfteren zur Gliederung der Texte genutzt.) Mit hoher Überzeugungskraft bereits der erste Grund: die Marktlücke im Bücherregal, und also darum gehöre es sich, neben einem Restaurantführer und einem Theaterführer nun auch einen Marktführer zu besitzen.

Unter der Überschrift „Kapitalismus pur“ findet sich das „Kleine Lexikon der Wirtschaft“. Auf 17 Seiten werden die Leser von ABM bis zur Zahlungsunfähigkeit geführt. Jeder Begriff wird zweimal erklärt - jeweils von Bodo H. Hauser und von Ulrich Kienzle. Bei der Erläuterung von „Rückgabe von Eigentum“ werden tatsächlich zwei gegensätzliche Sichten auf die Dinge deutlich. Kienzle meint: „Der Sieg der Habgier über die gesellschaftlich-politische Vernunft. Jeden Tag nachzulesen in der FAZ, die hier auf eine geradezu erfrischende Weise ihr vornehmes Getue aufgibt, um unverhüllt die blanke Fratze des Kapitalismus zu präsentieren.“ Hauser setzt dagegen: „Nachdem sich herausgestellt hat, daß die auf Eigentum aufgebaute Wirtschaftsordnung die effizientere ist, war es nur konsequent, nach dem Zusammenbruch des Sozialismus das Eigentum wieder in die ihm zukommende Funktion einzusetzen.“ Zum Thema „Gewerkschaften“ lesen sich die beiden Standpunkte eher wie zwei Seiten einer Medaille. Kienzle meint: „Von Arbeitslosenheeren, globalisierten Märkten, Ausdünnung des sozialen Milieus, rotem Filz und Demütigung durch die Arbeitgeber orientierungslos gewordene Interessenvertreter der Arbeitnehmer.“ Und Hauser ergänzt: „Aussterbende Spezies, ein fast hoffnungsloser Fall für den gesellschaftspolitischen Artenschutz. Ohne selbstbewußte Gewerkschaften ist der Arbeitsfriede nach beiden Seiten kaum zu halten.“ (S.53)

Geld als Hauptthema des Buches kommt in verschiedenen Spielarten daher. Als Finanzloch, als Sparpaket, als Euro, als Peanuts, als Steuerschulden ..., in Gestalt von Waigel, Kohl, Lafontaine, Schneider (der mit dem Toupet), Stoiber, Schreinemakers, Schröder, dem ganz normalen Steuerzahler ... Und stets als Pro und Kontra.

Wenngleich im September dieses Jahres ein Regierungswechsel erfolgte, sind die kommentierten Ereignisse mit ihren handelnden Personen immer noch gegenwärtig oder werden aufgefrischt. So die Erhöhung der Mehrwertsteuer. „Dummensteuer“ nennt sie Kienzle. Er erinnert daran, daß ihr Kommen immer wieder vehement dementiert wurde vom Finanzminister, bis der Bundeskanzler ein Machtwort sprach: 1998 werde sie kommen. Und sie kam. Das Fazit könnte in Stein gemeißelt sein, weil allgemein gültig: „So ist es eben nach der Wahl mit Aussagen von Regierungspolitikern immer wieder. Die Wahrscheinlichkeit, daß eine unangenehme Entscheidung verwirklicht wird, ist umgekehrt proportional zur Zahl der Dementis ... Selbstverständlich wird eine Steuererhöhung immer mit dem Hinweis schmackhaft gemacht, es werde zu einer Steuersenkung kommen, Die Frage ist nur für wen? Für Besserverdienende oder für den ganz normalen Lohnsteuerzahler?“ (S. 33)

Ebenfalls mit Geld befaßt sich Hauser in seinem Beitrag „Deutsche Manager - Gutes Geld für schlechte Geschäfte“. Nach einer Studie des International Institute for Management Development in Lausanne, das jährlich sämtliche Industrie- und Schwellenländer der Welt auf ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit hin untersucht, aus dem Jahre 1996 sei die Qualität deutscher Führungskräfte schlechter geworden. Ihre Gehälter jedoch seien auf Weltklasseniveau. Nun würden diese Manager ihr Gehaltssystem verändern und sich künftig mit Aktien aus dem eigenen Hause bezahlen wollen. Nach Hauser wären jedoch deren neue Gehaltswünsche erst dann wirklich glaubwürdig, wenn sie für persönliches Versagen auch entsprechend haften müßten. „Statt dessen werden sie mit unschöner Regelmäßigkeit für Mißmanagement auch noch fürstlich belohnt. Und so mancher, der auf seinem Chefsessel total den Überblick verloren hat, wird nach oben entsorgt - in den Aufsichtsrat. Damit haben sie ihr Traumziel erreicht.“ (S. 146) Was war da jetzt rechts und was links?

Es scheint, SchwarzRotGeld ist für Ostdeutsche geschrieben, damit diese den westdeutschen Markt mit seinen Ereignissen, Gesetzen, Skandalen, handelnden Personen und deren Anschauungen noch besser kennenlernen. Das eigene Teilstück Deutschland kennen sie ja wohl. Deshalb kommen die östlichen Bundesländer so gut wie nicht vor. Höchstens einige Persönlichkeiten, z. B. (in der Reihenfolge ihrer Auftritte) Gregor Gysi, Angela Merkel, Wolfgang Thierse, Katharina Thalbach - jedoch nur am Rande des Geschehens.

Als Sachbuch verfügt der „offizielle deutsche Marktführer“ neben seinen anregenden Gedanken für die Meinungsbildung über ansprechende grafische Gestaltung und Gliederung sowie über ein exaktes Namensregister.

Dieses Buch muß niemand in einem Atemzug gänzlich lesen. Auch „ratenweise“ genossen ist SchwarzRotGeld amüsant. Der Charme der einzelnen Themen erschließt sich jedoch erst im Doppelpack der Meinungen von Hauser und Kienzle, gekrönt mit einigen Wortfechtereien aus ihrer Fernsehsendung „Frontal“.

Noch Fragen?

Ja.

Dann lesen!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 1/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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