Eine Rezension von Hans Hauser


Wegweiser zu alten Gräbern

Laurenz Demps: Zwischen Mars und Minerva. Wegweiser über den Invalidenfriedhof

Ein Verzeichnis der auf dem Invalidenfriedhof zu Berlin noch vorhandenen Grabdenkmale.

Verlag für Bauwesen, Berlin 1998, 184 S., zahlr. Abb.

Zweihundertfünfzig Jahre ist es her, daß der preußische König Friedrich II. vor den Toren Berlins ein Hospital für verwundete und alte Kriegsveteranen samt Anstaltsfriedhof anlegen ließ. Von ehemals Tausenden Grabmälern auf dem Invalidenfriedhof an der Scharnhorststraße sind wenige Dutzend geblieben, von den prächtigen Mausoleen hat sich eines erhalten. Verglichen mit dem erbärmlichen Zustand, den der Gottesacker in „Mauerzeiten“ bot, bietet der traditionsreiche Bestattungsplatz nun wieder einen erfreulichen Anblick. Mehrere Grabmale wurden bereits von einem 1992 gegründeten Förderverein mit Unterstützung des Bundes und des Landes sowie mit Lottomitteln und privaten Spenden aufgerichtet und restauriert. Das Alleenkreuz aus jungen Linden steht wieder, da und dort grünt schon wieder Efeu.

Zur Zweihundertfünfzigjahrfeier des Invalidenfriedhofs hat der Berliner Historiker Laurenz Demps Ende 1998 ein Verzeichnis der Grabstätten herausgebracht, die heute noch vorhanden sind. Der Verfasser gab seinem Wegweiser, dem ersten seit 1940!, den Titel Zwischen Mars und Minerva und spielt damit auf den Charakter des Invalidenfriedhofs als Ruhestätte von Militärpersonen sowie von Gelehrten und noch viel mehr Zivilisten, deren Namen kein Geschichtsbuch erwähnt. In dem von Demps an Beispielen geschilderten und mit historischen Aufnahmen illustrierten Auf und Ab im Umgang mit den Grabmälern spiegelt sich auch ein Stück Geschichte der Denkmalpflege in der DDR, die bisher noch nicht geschrieben ist.

Das reich illustrierte Buch geht im einleitenden Teil zunächst auf die Geschichte des für Kriegsversehrte und alte Soldaten bestimmten Invalidenhauses ein, das in seiner Grundsubstanz noch existiert und nun Teil des Bundeswirtschaftsministeriums ist, um dann das wechselvolle Schicksal des Begräbnisplatzes nebenan darzulegen. Die künstlerisch und historisch bedeutendsten Grabmäler stehen auf dem laut Ordre Friedrich Wilhelms III. für Träger des Eisernen Kreuzes reservierten Feld „C“. Was hier und auf anderen Feldern des Friedhofs zur Herstellung von „hundertprozentiger Sicherheit“ im Grenzgebiet geschah und wie sich die DDR-Denkmalpflege vor allem um das von Schinkel entworfene und von den Bildhauern Tieck und Rauch ausgeführte Grabmal für den 1813 bei Prag gefallenen General der Befreiungskriege Gerhard von Scharnhorst (der höchste Militärorden der DDR trug seinen Namen!) bemühte, teilt der Autor ebenso mit wie er auflistet, was an Gittern und Steinen vernichtet wurde. Demps betont, daß bisher ein Befehl zur Beräumung des Friedhofs aus ideologischen Gründen nicht gefunden wurde. Aufklärung bedürften auch die Umbettungen nach Errichtung der Mauer, die mit schwerer Technik erfolgten und mehr als persönliches Engagement eines Friedhofswärters waren.

Zum dunkelsten Kapitel der Friedhofsgeschichte schreibt Demps, daß aufgrund der Bestattungen des SS-Obergruppenführers Heydrich und anderer NS-Größen der Eindruck entstehen konnte, der Invalidenfriedhof sei ein „Nazifriedhof“. Wahrheit aber sei, daß Heydrich hier nur „zwischengelagert“ wurde, um endgültig in einem besonderen „Totenhain“ beigesetzt zu werden, wozu es dann nicht mehr kam. „Es war zu keinem Zeitpunkt vorgesehen, an diesem Ort eine besondere Konzentration von NS-Größen anzustreben“, stellt Demps fest. Interesse verdient auch die noch durch Spezialuntersuchungen zu untermauernde Feststellung, daß im Zusammenhang mit Hitlers Plänen für den Ausbau Berlins zur „Welthauptstadt Germania“ an die Auflösung des Invalidenfriedhofs gedacht war, wobei einige der hier bestatteten in eine noch zu schaffende „Halle der Soldaten“ überführt werden sollten. „Diese Idee zerschlug sich u. a. auch deshalb, weil hier außer den Toten der Befreiungskriege keine ,überragenden Persönlichkeiten‘ bestattet waren, auf die das Bild der NS-Rezeption Preußens gepaßt hätte.“ Es habe zwar Aktivitäten, aber keine Entscheidungen darüber gegeben, diesen Friedhof aufzuwerten, unter den Schutz des Staates zu stellen und durch „Weiheaktionen“ zu ideologisieren. „Das Bild, das der Friedhof durch die Bestattungen bot, paßte ebenso wie die preußische Geschichte nicht in die aktuellen Zielstellungen der NS-Zeit.“

Ganz neue Informationen enthält das Buch dort, wo es die im Sommer 1998 bei Ausgrabungen auf dem ältesten Teil des Friedhofs rechts vom Eingang entdeckten Steinsarkophage aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erwähnt, leider aber nicht im Bild vorstellt. Die sensationelle Entdeckung der mit Wappenschildern, Stundenglas, dem Auge Gottes, gesenkten Fackeln sowie noch lesbaren Inschriften versehenen Platten, die wohl schon im 19.Jahrhundert mit Erde bedeckt wurden, sollen in den kommenden Jahren restauriert werden. Auf die Frage, ob im Boden weitere Zeugnisse einer hochstehenden Sepulkralkultur vermutet werden, geht Demps zwar nicht ein, wohl aber stellt er fest, daß durch die Bemühungen der Denkmalpflege und der zahlreich sie unterstützenden Personen heute insgesamt ein erfreulicher Zustand des Friedhofs erreicht, sein Erscheinungsbild nicht nur bewahrt, sondern erstaunlich gestärkt worden sei. Dennoch seien Arbeiten auch in Zukunft zu leisten, um den Friedhof als Denkmal preußischer, deutscher und Berliner Geschichte zu erhalten.

Für alle diejenigen, die historische Friedhöfe besuchen, ist das Buch eine Fundgrube und zugleich eine hervorragende Argumentationshilfe, wenn es um die Frage geht, weitere denkmalpflegerische Maßnahmen aus öffentlichen und privaten Mitteln zu unterstützen und Politiker auf die Notwendigkeit hinzuweisen, sich stärker als bisher für das bauliche Erbe in der Stadt auch durch Mittelbewilligung einzusetzen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 1/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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