Eine Rezension von Jan Eik


Ein gewisses Quantum Mumpitz ...

Akif Pirinçci: YIN

Die Welt der Frauen. Roman.

Goldmann Verlag, München 1997, 830 S.

Die Idee, alle Männer auf dieser Erde durch eine Viruserkrankung umzubringen, ist in der Literatur nicht eben neu. Der Bonner „Felidae“-Erfolgsautor und Auflagenmillionär Akif Pirinçci hat sich dem Thema in seinem vierten Roman, der fast so dickleibig ist wie sein bisheriges Gesamtwerk, mit leichter Hand verschrieben und einen Unterhaltungsroman der gehobenen Sorte verfaßt, zu dem nun einmal auch ein gewisses Quantum - nein, nicht nur an Mumpitz, wie Fontane meint - an Kitsch gehört. Da schwappen schon mal die Adjektive über, und die Metaphern geraten daneben, wenn etwa „das lange Herumstehen in der Sonne auf ihr Hirn denselben Effekt ausgeübt hatte wie ein Hochofen auf eine Pizza“.

Bei 830 Seiten ist neben allerlei Ausflügen in schlechte Hollywood-Drehbücher auch Weitschweifigkeit angesagt, da wird nicht einfach überlegt, sondern „... schlagartig entbrannte ein neuer Entscheidungskampf in Liliths Kopf, und abermals verharrte sie ratlos am Fuße der Stufen, was einen Außenstehenden ob ihres dämlichen Anblicks zum Lachen gebracht hätte. Der Entschluß fiel jedoch im Gegensatz zum letzten Mal schneller, und er hieß ganz unkompliziert: Warum nicht!“

Ja, weshalb denn unkompliziert, wenn es auch geschwollen geht. Und mit dem Denken haben die verkorksten Heldinnen allemal ihre Schwierigkeiten: „Sie hob den schweren, brummenden Kopf, in dem ihr Bewußtsein dumpf und orientierungslos dümpelte wie ein Goldfisch in einem schunkelnden Glas ...“

Wer glaubt, die Männer kämen bei Pirinçci besser weg, der irrt. Die wenigen vorgeführten Scheusäler haben ihr gräßlich ausgemaltes Ende allemal verdient. „Halbblind und bluttriefend wie ein Schlachtereimer mit Leck warf er sich brüllend auf sie, wobei er mit der Hemmungslosigkeit eines verletzten Tieres unkontrolliert um sich schlug ...“ Nein, so benimmt man sich nicht mal im Puff (wo die Szene spielt) gegenüber einer „billigen Nutte“ und „jede Frau wurde auf die eine oder andere Art billig, die ihre Geschlechtsorgane als Geschirrspüler für Schwänze benutzte“.

Derlei Grauslichkeiten hätten, um den Autor ein letztes Mal zu zitieren, wahrlich „das Prädikat ,besonders abstoßend‘ verdient“ - hielten nicht manche Zeitgenossen solcherart modisch mit Sex, Feminismus, Horror und dumpfer Gewalt aufgepeppte Belanglosigkeiten für die Inkarnation von Literatur. Das neue Meisterwerk, ein Roman wie ein Jahrhundertgewitter, behauptet beispielsweise der Verlag. Nun ja, dieses wahrlich schlimme Jahrhundert ist fast zu Ende. Hat es darin wirklich kein größeres Donnerwetter gegeben?


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 1/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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