Eine Annotation von Michael Dingel


Schütt, Hans-Dieter:

Otto ... find ich gut

Rehhagel für Fans!

Sportverlag, Berlin 1998, 64 S., etwa 120 Farb- u. Schwarzweißfotos

Der erfolgreichste deutsche Fußballtrainer der letzten zehn Jahre - und zudem der populärste - ist im August 60 Jahre alt geworden. Grund genug für den Sportverlag, mit vorliegender Hommage den Meistertrainer zu feiern. Der rührige Herausgeber Hans-Dieter Schütt arbeitet als Journalist und Publizist in Berlin und hat bereits zahlreiche Interviewbände veröffentlicht, u. a. mit der Politikerin Regine Hildebrandt, den Schauspielern Kurt Böwe und Klaus Löwitsch, dem Bildhauer Alfred Hrdlicka, dem Theaterregisseur Frank Castorf und den Abenteurern Reinhold Messner und Rüdiger Nehberg. Im Sportverlag publizierte er als Autor und Herausgeber Bücher über Steffi Graf, Lothar Matthäus, Rudi Völler, Toni Schumacher u. a.

Sein neues Werk „sammelt Sprüche, Interview-Auszüge und andere öffentliche Äußerungen Otto Rehhagels und dokumentiert daher nicht zuletzt auch die Arbeit zahlreicher Journalisten, Reporter, Moderatoren und Publizisten“, schreibt der Herausgeber im Vorwort. In einem einführenden Essay, „Beschreibung eines Charakters“, setzt sich Schütt mit dem Werdegang Rehhagels auseinander, der aus einer Bergarbeiterfamilie stammt und dessen Vater keine vierzig Jahre alt geworden ist. Seine Erfolge mußte er sich hart erarbeiten, und von Niederlagen blieb auch er nicht verschont. Rehhagel verehrt Goethe und Hemingway, verkehrt mit Theaterleuten wie Jürgen Flimm oder Sprachkünstlern wie Walter Jens, ist „also durchaus dem Höheren zugeneigt“, und deshalb vermag er auch Leute in seinen Bann zu ziehen, für die Fußball nicht das Maß aller Dinge ist. So urteilt der Theaterregisseur Thomas Langhoff über ihn: „Rehhagel ist ein Mensch der praktischen Vernunft und zugleich ein trotziger Träumer. Er möchte die Erfolgskriterien dieser Gesellschaft mit Ur-Instinkten anständigen menschlichen Verhaltens verbinden. Mit diesem Spagat ist er zu einem der mutigsten Kunstturner seiner Sparte geworden.“ Der Trainer bestätigt den Regisseur: „Wenn ich nach meinem 65. Geburtstag möglicherweise als Trainer nicht mehr dabei bin, dann will ich den Menschen noch in die Augen schauen können.“

Sein Beruf ist hart, Konflikte entstehen zwangs läufig. Rehhagel ist nicht der Kumpel der Spieler, er besteht auf Distanz. Bei unerbittlicher Kritik verletzt er niemals ihre Persönlichkeit. Und Streitigkeiten werden nicht nach draußen getragen. Das „gläserne Training“ in München war seine Sache nicht. Fassungslos mußte er erleben, daß Dinge, die er mit der Mannschaft beredete, am nächsten Tag in der Presse standen.

Wie ein Triumph der Gerechtigkeit mutet Rehhagels Husarenstück an, mit dem Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern deutscher Meister vor Bayern München zu werden. Das schönste Geburtstagsgeschenk überreichten ihm also seine Spieler - wenige Wochen vor dem 60!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 1/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite