Eine Annotation von Christa Niemann


Hähner, Margit:

Auch nur ein Mann

Roman.

Reclam Verlag Leipzig, Leipzig, 1998, 255 S.

Karla, Anfang Dreißig, selbstbewußt, attraktiv und als freiberufliche Journalistin einigermaßen erfolgreich, ist mit ihrem Leben durchaus zufrieden. Da sie in materieller Hinsicht keine besonders hohen Ansprüche stellt und ihr Ehrgeiz nicht übermäßig entwickelt ist, kommt sie mit dem, was sie mit gelegentlichem Verfassen von Artikeln und Berichten für verschiedene Zeitungen bzw. Zeitschriften verdient, gut zurecht. Dem „anderen“ Geschlecht nicht abgeneigt, ist sie an Zweisamkeit durchaus interessiert, ohne dabei eine feste Verbindung - mit Familie und Kindern - anzustreben. Erfahrungen aus früheren Affären, unter anderem eine mit einem verheirateten Mann, die mit schmerzlicher Trennung endeten, haben sie bezüglich engerer Bindungen vorsichtig werden lassen. Das gegenwärtige „Objekt ihrer Begierde“ scheint wie geschaffen für eine solche Beziehung. Sie verliebt sich in Rainer, einen lebenslustigen, irdischen Freuden sehr zugetanen Priester, der schnelle Autos und schöne Frauen liebt, ohne deshalb mit seinem katholischen Amt und christlichen Seelenheil in Zwiespalt zu geraten. Auch Rainer verliebt sich in Karla, und beide genießen die unverbindliche Liaison in vollen Zügen. Ein wenig störend wirkt sich nur der Umstand aus, daß ihre Treffen heimlich stattfinden müssen.

Aus dem unkomplizierten Flirt entwickelt sich im Lauf der Zeit echte gegenseitige Zuneigung. Als sie erkennen, daß sie einander brauchen, sind beide überfordert. Rainer erschrickt bei dem Gedanken an zu große Vertrautheit und will sich dem Konflikt nicht stellen. Er bricht das Verhältnis zunächst ab, was ihn aber nicht von weiteren Selbstzweifeln befreit. Für Karla, die den Bruch schmerzhaft empfindet, steht die Frage, zu kämpfen oder aufzugeben. Da beide letztlich nicht verzichten wollen, geht es darum: Gelingt es, die Beziehung dauerhaft zu gestalten, ohne einander zu überfordern?

Auf erstaunlich lockere Art behandelt die Autorin hier das Problem des Zölibates, das vielerorts als tiefer persönlicher, aber auch als gesellschaftlich ungelöster Konflikt im Raum steht. Es bleibt dem Leser überlassen, den Roman als amüsante Abhandlung einer für zwei Personen problematischen Situation zu akzeptieren oder ihn als oberflächliche Behandlung eines sensiblen Themas zu empfinden. Flüssig und spannend geschrieben ist die Geschichte allemal, auch wenn einige Kapitel mit Karlas Selbstmitleid stark überfrachtet sind.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 1/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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