Eine Rezension von Kathrin Chod


Manche Träume blieben unverwirklicht

Gottfried Riemann/Christa Heese: Karl Friedrich Schinkel

Architekturzeichnungen.

Henschel Verlag, Berlin 1996, Sonderausgabe, 104 S.

Nicht nur Bauwerke, auch Zeichnungen und Entwürfe können den Ruf eines Architekten begründen. Bestechendes Beispiel hierfür ist wohl der junge Friedrich Gilly, dessen Stein gewordene Hinterlassenschaft angesichts seines frühen Todes mit nur 28 Jahren eher bescheiden bleiben mußte. Sein Ruhm und Einfluß beruhten so fast nur auf kühnen Plänen und genialen Ideen, deren Realisierung niemals erfolgte. Im Entwurf Friedrich Gillys für ein Denkmal Friedrichs des Großen, gedacht für den Leipziger Platz, sehen einige Biographen auch das „architektonische Erweckungserlebnis“ eines jungen Gymnasiasten, der zum führenden Baumeister Preußens im 19. Jahrhundert avancieren sollte - Karl Friedrich Schinkel.

Daß Schinkels Talent als Zeichner dem als Baumeister in nichts nachstand, wußten schon seine Zeitgenossen. Begeistert zeigte sich etwa der alte Goethe über die „schönen Zeichnungen und Umrisse ..., mit welchen der treffliche Schinkel mich fleißig versieht und mich von Zeit zu Zeit auch der neusten architektonischen Wunder teilhaft werden läßt“.

Christa Heese und Gottfried Riemann stellten in dieser Ausgabe, neben einer Einführung in Karl Friedrich Schinkels Tätigkeit als Zeichner und einer ausführlichen Auflistung biographischer Daten, eine kommentierte Auslese von Skizzen, ausgearbeiteten Projekten, Reisezeichnungen, Musterentwürfen, Architekturphantasien, Bühnenbildentwürfen und anderem mehr auf 32 Farbtafeln und 83 Schwarzweißabbildungen zusammen. Eine schmale Auswahl, wenn man bedenkt, daß der Baumeister mehr als 4000 Blätter mit Zeichnungen hinterließ, die Friedrich Wilhelm IV. nach Schinkels Tod für den preußischen Staat erwarb und in der Bauakademie zugänglich machte.

Im Vorwort zu der vorliegenden Publikation weist Christa Heese zunächst auf das breite Spektrum zeichnerischer Äußerungen hin, die der Begriff Architekturzeichnungen faßt, um in der folgenden Darstellung zum Leben Schinkels, den Intentionen des Buches entsprechend, vor allem auf seine Entfaltung als Maler und Zeichner im Zusammenhang mit der Entwicklung als Baukünstler einzugehen. Geradezu überschwenglich würdigt die Autorin Schinkels Talent als Zeichner, was angesichts der Bilder aber auch nicht verwunderlich ist. So attestiert sie schon den Blättern, die der junge Baumeister während der ersten Italienreise nach Tagesskizzen mit Feder und Pinsel angefertigt hatte, „die malerische Wirkung vollendeter Bilder“ und sieht schließlich in seinem Kaufhausentwurf eine Arbeit, die „zeichnerisch von höchster Vollendung“ ist.

Vertreten in dem Band sind natürlich Bilder zu den berühmten Hauptwerken: verschiedene Skizzen zur Neuen Wache, Varianten zur Friedrichswerderschen Kirche, Ideen zur Gestaltung des Lustgartens, Ansichten des Alten Museums, des Berliner Schauspielhauses, der Allgemeinen Bauschule (Bauakademie) und der Schloßbrücke.

Bewußt wird dem Betrachter der Zeichnungen, was gerade dem Berliner Stadtbild verlorenging, da im Laufe der Zeit mehr als dreißig Bauwerke Schinkels in der Stadt eliminiert wurden, von denen die Bauakademie, der Dom und das Palais Redern am Pariser Platz wohl die bekanntesten sind.

Obwohl gar nicht alle Entwürfe für eine Realisierung gedacht waren, sondern auch für Lehrbücher oder - abgehoben von realen Zwecken - zur Darstellung des eigenen Architekturideals, fällt doch auf, daß auch bei Schinkel viele schöne Träume nie verwirklicht wurden. Erst ruhte die Bautätigkeit in Preußen, dann war der Staat knapp bei Kasse, und gerade zum Schluß seines nur sechzigjährigen Lebens konnten sich auch die Auftraggeber nicht mit seinen Ideen anfreunden. Beispiele hierfür sind das Schloß auf der Akropolis im Schatten des Parthenon, welches er für den Bayern auf dem griechischen Königsthron, Otto I., entwarf, sowie das „Märchenschloß“ Orianda auf der Krim für die russische Zarin. Vom Scheitern des erstgenannten Vorhabens tief enttäuscht, hatte sich Schinkel die Realisation von Orianda schon gar nicht mehr erhofft. Ebenso unverwirklicht blieben etwa der Freiheitsdom, ein Marstall am Kupfergraben, das Kaufhaus Unter den Linden und - wohl bittere Ironie - seine Ideen zu einem Thema, das ihn einst erst zur Baukunst geführt hatte, das Monument zum Gedenken Friedrichs des Großen.


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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