Eine Annotation von Bernd Heimberger


Mallarmé, Stéphane:

Un coup de dés

Übers. Wilhelm Richard Berger.

Steidl Verlag, Göttingen 1998, 86 S.

Sich wirklich noch darüber streiten? Darüber, wessen Name bereits besser verklungen ist? Der des Stéphane Mallarmé (1842-1898)? Der des Stephan Hermlin (1915-1997)? Von dem Nachgeborenen heißt es, er hätte sich Mallarmés Vornamen fürs verhaltene literarische Leben ausgeliehen. - Kein Werk von Hermlin, ein Werk von Mallarmé gibt’s jetzt in neuer Ausgabe. Und was für eine! Der modernistische französische Ästhet-Poet Mallarmé könnte vor Begeisterung an die Decke springen. Sein vor hundert Jahren veröffentlichtes Gedicht fürs 20. Jahrhundert - Un coup de dés - ist in einer zweisprachigen Edition als Band 2 der „Typographischen Bibliothek“ des Steidl Verlages nicht nur erschienen. Wie eine Lagerfeld-Kreation nicht nur erscheint. Un coup de dés feiert keine Auferstehung, doch einen gloriosen Auftritt. Inszeniert hat den Klaus Detjen. Jorge Luis Borges beim Wort nehmend, für den die „unpersönliche weiße Farbe ein ausgesprochenes Kennzeichen Mallarmés“ war, hat der Gestalter die angemessene, interpretierende Ausstattung arrangiert. Das Weiß zu einem persönlichen, optischen Erlebnis zu machen, hat Detjen viel Kunstfertigkeit abverlangt. Im Sinne Mallarmés hat er das Schwebende nicht um seine Schwerelosigkeit gebracht und ihm dennoch etwas Haftbares gegeben. Das vermeintlich Unfaßbare, das vermeintlich Verneinende, dessen Be-für-Worter der Dichter nach Meinung des Übersetzers Wilhelm Richard Berger niemals war, wird in der wort-graphischen Präsentation sichtbar-faßlich, bejahend. Detjen hat die hohe Schule der visuellen Poesie des Mallarmé-Gedichts absolviert. Seine farbliche, typographische Text-Setzung ist eine künstlerische Dissertation, die das „Summa cum laude“ verdient. Stéphane Mallarmé ist auf den Weg ins 21. Jahrhundert gebracht. Ach, Stephan Hermlin, Armer!


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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