Eine Annotation von Bernd Heimberger


Federmann, Raymond/Chambers, George:

Penner und Penner

Penner-Rap. Aus d. Amerik. Peter Torberg. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998, es 2020, 168 S., 39,80 DM

Manche Penner sind Philosophen. Welcher Philosoph ist Penner? Der 1928 in Paris geborene Professor für Literatur, der philosophierende Poet Raymond Federman, ist ein Penner. Was heißt ein Penner? Er ist zwei Penner. Weil er keine der beiden Seelen in seiner Brust verteufeln kann. Weil er nicht ohne den Widerstreit der Gegen-Sätze in seinem Schädel leben kann. Federman gibt seinem Gegenüber und Gegen-Ich eine literarische Gestalt- George Chambers. Im toll temperierten „Penner-Rap“ läßt er Ich und Gegen-Ich schwatzend sinnieren: „Wie es bei alten Säcken unausweichlich vorkommt“. Weil sie „alle Zeit der Welt“ haben, seit ihre Zeit in dieser Welt knapp bemessen ist. Die alten Zausel können sich ins Zeug legen, daß die geistige Schwarte knackt. Nicht als vergreiste Griesgrame fluchend durch die Lebens-Zeit ziehend, können Penner Eins und Zwei unbekümmert eine Menge Geschichten gehabter Mutlosigkeit loswerden, die mächtig Mut machen. Sie können gelassen über Gemeinsamkeiten der einsam Alten schwadronieren, die sich in bekennender Einsamkeit um letzte Gemeinsamkeiten betrügen. Wie im Leben.

Federmans „Penner-Rap“-Texte sind sinnlich, fröhlich, frech wie die eines jungen Tatendurstigen, dem die geduldige, genügsame, gesteigerte Sinnlichkeit, Fröhlichkeit, Frechheit der alten fehlt. Getrost kann sich Federman seinem gedoppelten Alters-Schwach-Sein hingeben, weil das die gewachsene, gefestigte, akzeptable Wahrheit des Alters ist. Nun wär’s angebracht, sämtliche Pennersprüche, Reflexionen über Freundschaft, Diskurse über Gott, Gesellschaft, Geschlecht, die gesammelten Alters-Weisheiten des Raymond Federman zu nennen. Wer ihn kennt, liebt ihn. Wer seinen salomonischen Penner-Rap liest, wird ihn lieben. Die Texte rütteln kräftig an Gemüt und Geist. Federmans Lesebuch für alle Lebenslagentage ist für alle Penner aller Generationen aller Erdteile da, die ihre irdische Zeit nicht verpennen wollen. Die einmal gestehen möchten: Ich bin ein Penner! Zwei Penner sein ist der Adel! Bloß keinen Kult machen. Was ja Verehrung heißt.


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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