Eine Rezension von Natalie Conrad


Viel Geschrei und wenig Wolle

Petra Würth: Unter Strom

Pia Petrys erster Fall. Roman.

Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1998, 304 S.

Der Autorin sei Dank: Treffender als mit den Worten ihrer Heldin läßt sich das Romandebüt kaum charakterisieren: „Das Ganze kommt mir ein bißchen arg simpel gestrickt vor. Ausgesprochen unbefriedigend, langweilig und vorhersehbar“ und - ich gestatte mir hinzuzufügen - so unglaublich wie trivial, ohne jeden Anspruch, Zeit- und gesellschaftliche Probleme zu spiegeln. Geistiger Muskelkater wegen Überforderung ist von einem Krimi nicht unbedingt zu erwarten, wäre aber allemal wünschenswerter, als in der Flut von Wörtern einer schlecht erfundenen, oberflächlichen Geschichte zu ertrinken. Zu allem Übel wird im Klappentext auch noch die Lösung des Rätselspiels sozusagen auf dem silbernen Tablett präsentiert. Es ist also kaum möglich, durch eine Einführung in die Story mehr zu verraten als der Verlag.

Ich-Erzählerin des Whodunnit ist eine Privatschnüfflerin der allerunprofessionellsten Art, eine Frau mit Sehnsüchten, Hoffnungen und vielen Problemen: Pia Petry ist pleite, bald vierzig und immer noch auf der Suche nach sich selbst. Im übrigen versucht sie zusammen mit einem Assistenten, die ihr nebst Schulden vererbte Detektei in Schwung zu bringen. Ob das eine lohnende Investition in die Zukunft ist, erscheint mehr als fraglich. Ihr langjähriger untreuer Lover ist es mit Sicherheit nicht, aber noch fehlt es Pia an Mut, ihn in die Wüste zu schicken. Der Spatz in der Hand ... und so weiter, man kennt das ja. Daß sie von einem Märchenprinzen träumt „und Machos für tolle Männer hält“, nehme ich ihr nicht übel. Und obwohl ich ihren Geschmack nicht teile, habe ich durchaus Verständnis, wenn der Rhett-Butler-Charme eines noch dazu steinreichen Typs Schmetterlinge in ihrem Bauch flattern läßt. Daß sie sich aber trotz allerdickster Hinweise rigoros weigert, diesen Mann als potentiellen Täter unter die Lupe zu nehmen - „Ich bin hier der Boß, und ich sage Ihnen, Dujack hat nichts damit zu tun. Basta.“ -, wirkt selbst für eine spätpubertierende und unerfahrene Privatdetektivin unverzeihlich dilettantisch. Ihr Gebaren ist pure Autorinnenwillkür und nicht etwa originell, weil die Heldin schließlich recht behält. Als Mittel der Charakterisierung erscheint solch überzogen naives, um nicht zu sagen infantiles Verhalten schlichtweg untauglich, weil es die Figur weniger profiliert als denunziert. Aber der Reihe nach:

Pia Petry hat endlich einen lukrativen Fall erwischt. Sie soll für die schöne, blonde, kühle und maßlos reiche Isabelle Dujack herausfinden, ob es sich wirklich um einen Unfall handelte, als ihre Adoptivmutter vor neun Jahren durch einen Stromschlag in der Badewanne ins Koma gefallen war - oder ob da nicht doch jemand nachgeholfen hat (z. B. ihr Adoptivvater, jener Rhett-Butler-Verschnitt). Warum die Hamburger Detektivin von einer Klientin aus Frankfurt am Main angeheuert wird, bleibt das Geheimnis der Autorin, für den Fall hat es keine Bedeutung. Und daß sie glaubhaft zu versichern sich bemüht, das Bad in der Villa eines gutbetuchten Immobilienmaklers habe 1988 noch immer unter einem sanitären Nachkriegszustand gelitten, so daß die Gattin ihr abgekühltes Badewasser mit einem Tauchsieder zu erwärmen pflegte, ist schon deshalb nicht komisch, weil das Geschehen durch diese abstruse Vorgeschichte von Anfang an auf tönernen Füßen steht. Pia jedenfalls bekommt es mit einem mysteriösen Fall und einem obskuren, von der Autorin psychologisch krude motivierten Familiendrama zu tun und erweist sich als maßlos überfordert, mittels naheliegender, logischer Recherchen Licht in das Dunkel der sich mörderisch zuspitzenden Ereignisse zu bringen. Wer hatte Gelegenheit für die Tat und wer ein Motiv? Diese Fragen spielen bei ihr, offenbar in retardierender Absicht, aber ohne Gewinn an Spannung, eine mutwillig nebensächliche Rolle. Kein Wunder, daß sie schließlich resümieren muß: „Wir hatten die Geschichte wirklich nicht im Griff. Ein lockeres Herumstochern im Nebel. Hier ein kleines Ergebnis, da eine winzige Information, nichts wirklich Bedeutendes.“ Damit ist zum Handlungsverlauf eigentlich alles gesagt.

Petra Würth will keinen Zweifel aufkommen lassen, daß sie über eine flotte Schreibe verfügt, und spult die Geschichte von Anfang an in einem gnadenlos munteren, pointen-fixierten Plauderton ab. Schade nur, daß sie ihre Energie an Belangloses verschwendet.


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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