Eine Rezension von Thomas Przybilka


Ernsthafte Konkurrenz für Kay Scarpetta

Kathy Reichs: Tote lügen nicht

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Thomas A. Merk.

Karl Blessing Verlag, München 1998, 538 S.

Fans von Patricia D. Cornwells Protagonistin Dr. Kay Scarpetta, Chief Medical Examiner des US-Bundesstaates Virginia, werden womöglich mit fliegenden Fahnen in das Konkurrenzlager von Dr. Temperance („Tempe“) Brennan wechseln. Tempe Brennan ist forensische Pathologin des Laboratoire de Médicine Légale im kanadischen Montreal. Ersonnen wurde die Spezialistin für Knochenverletzungen von Kathy Reichs.

Tempe Brennan ist Mitte 40, hat ihre Heimatstadt Charlotte in North Carolina verlassen, lebt in Montreal und arbeitet dort für das gerichtsmedizinische Institut. Ihre Arbeit ist im wahrsten Sinne des Wortes Knochenarbeit, und Tempe Brennan ist immer dann gefragt, wenn die Mordkommission nicht mehr weiter weiß. Sie steht mit dem Geruch des Todes auf Duzfuß; Skelette, Körperteile und Wasserleichen sind das A und O ihres Arbeitsalltags. Im (nicht ohne Grund) gutklimatisierten Autopsieraum im Keller der QPP (Quebec Provincial Police) oder SQ (La Sûreté du Québec), wie die Polizeibehörde der zweisprachigen Provinz Kanadas heißt, versucht Tempe Brennan Tag für Tag die Identität und die Todesursache von Mordopfern zu klären.

Als die 23jährige Isabelle Cagnon mißbraucht, erdrosselt und ihre Leiche - zerstückelt und auf mehrere Müllsäcke verteilt - aufgefunden wird, glaubt sich Tempe an einen ähnlichen Fall zu erinnern, mit dem sie vor ungefähr einem Jahr konfrontiert wurde. Leider werden aber ihre Überlegungen nicht von der zuständigen Mordkommission geteilt, geschweige denn zur Kenntnis genommen. Aber der Verdacht, es hier mit einem Serienmörder zu tun zu haben, läßt die Spezialistin der Gerichtsmedizin nicht los. Ihre nichtautorisierte Recherche auf eigene Faust läßt sie bald drei weitere, ähnliche Fälle entdecken, mit zum Teil frappierenden Übereinstimmungen zum fast verjährten und zum aktuellen Gewaltverbrechen. Aber ihre Nachforschungen sind nicht nur Detective Luc Claudel ein Dorn im Auge, sondern sie lenkt auch die Wut und den Haß des Killers dadurch erst auf ihre beste Freundin, dann auf ihre Tochter Katy und letztlich auf sich selbst.

Der Debütroman von Kathy Reichs - sie unterrichtet Anthropologie an der University of North Carolina und ist eine von nur fünfzig an Gerichten zugelassenen forensischen Anthropologen in Kanada und in den USA - wurde von allen Seiten mit Lob überschüttet. „Publishers Weekly“ meinte, daß Reichs’ intelligentes und stilsicheres Debüt sie auf Anhieb in die Garde der erfolgreichsten Thriller-Autoren getragen hat, und Minette Walters bescheinigt ihr, einen brillanten Roman geschrieben zu haben. Der Rezensent kann sich dieser Meinung vorbehaltlos anschließen.


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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