Eine Rezension von Licita Geppert


Mörder mit Feingefühl

Christine McGuire: Bis daß der Tod uns scheidet
Aus dem Amerikanischen von Hans-Ulrich Seebohm.

John Philpin/Patricia Sierra: Wolfsjagd
Thriller. Aus dem Amerikanischen von Cordula Kolarik.

Ullstein Gelbe Reihe. Deutsche Erstausgabe.
Ullstein Verlag, Berlin 1998, 336 S. bzw. 366 S.

Banker schreiben Romane, Historiker, Staatsanwälte, Journalisten, Ermittler tun es ebenso. Und nun auch Profiler. Insiderwissen im Verein mit der angelsächsischen Schreibweise und dem schriftstellerischen Geschick, eine Handlung aufzubauen, bürgen für gute Lesbarkeit und Authentizität. Spannung ist garantiert, denn nichts ist spannender als das Leben selbst.

In Bis daß der Tod uns scheidet ermittelt Kathryn Mackay, die wie die Autorin eine erfolgreiche Staatsanwältin ist, in einem heißen Fall. Die Anklage lautet auf versuchten Mord mit HIV-Erregern. Das ist nicht nur eines der brisantesten medizinischen Themen der Gegenwart, sondern bietet den Stoff für eine verwickelte Geschichte, die in ihrem Verlauf ungeahnte Weiterungen erfährt. Es beginnt damit, daß dem Ermittler der Staatsanwältin durch eine an den Verteidiger adressierte Paketbombe mitten im Gerichtssaal die Hand zerfetzt wird. Noch während des Prozeßverlaufs geschehen furchtbare Morde in der Umgebung. Der Mörder, ein einfühlsam, ja geradezu poetisch beschriebener schizoider Psychopath, der uns im Roman auch in seiner bürgerlichen Gestalt begegnet, vollzieht in aller Ruhe grausame Bestrafungsaktionen mit Hilfe von Brandbomben, die er den wehrlosen Opfern am Körper anbringt. (Die Bauanleitungen für den Hausgebrauch werden gleich mitgeliefert.) Erst ganz zum Schluß wird sich herausstellen, für wen die Bombe im Gerichtssaal wirklich bestimmt war, und erst dann schließt sich der Kreis am selben Ort, wird das Urteil vollstreckt.

Mackay ist nicht nur professionell vorgehende Staatsanwältin, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, Mutter einer Tochter, mit all den Sorgen eines normalen Lebens behaftet. Zurückhaltend wird eine Liebesgeschichte in die Handlung eingewoben, die das Buch über den Rahmen eines simplen Krimis hinaushebt.

Auch John Philpin, Mitautor von Wolfsjagd, ist ein Profi, genauer gesagt ein Profiler. Bei dieser Berufsgruppe handelt es sich, wie wir spätestens seit dem berührenden Buch des britischen Profilers Paul Britton wissen, um Psychologen oder ähnlich gelagerte Berufe, die Täterprofile erstellen, d.h. sich über das Opfer, den Tatort und die Umstände der Tat der Persönlichkeit des Täters nähern, bis sie schließlich ein genaues Charakterbild, ein Täterprofil, von ihm geben können. Die Arbeit des Profilers ist belastend und kräfteverzehrend, aber auch eine große Herausforderung. Die literarische Umsetzung dieses emotionalen Zwiespalts ist hier außerordentlich gelungen.

Philpin/Sierra unterteilen ihren Roman in drei Bücher. Reizvoll daran ist, daß jede der handelnden Personen selbst zu Wort kommt. Das erste Buch erzählt uns die Geschichte von John Wolf, dem Mörder, und Sarah, seinem Opfer. Behutsam nähern sich die beiden einander, sie - den Tod suchend, er - den Tod bringend. Für beide erwächst daraus eine geradezu kultische Handlung, der Tod wird zelebriert. John Wolf ist ein Gourmet des Tötens, Sarah sein sehnsuchtsvolles Objekt des Genusses. Es ist ein schwebender, choreographierter Tanz in den Himmel. Im zweiten Teil werden die Ermittlungen geschildert aus der Sicht Roberts, Kriminalpolizist und Exmann des Opfers, und Lanes, seiner Partnerin in Beruf und Freizeit. Dadurch, daß dieselben Ereignisse aus verschiedenen Sichten aufgerollt werden, formen sich die Charaktere des Opfers wie die der beiden Ermittler vor unserem geistigen Auge. Ohne es zu ahnen, begegnen beide dem Mörder, der die Identitäten schneller zu wechseln vermag als ein Chamäleon seine Farbe. Aber erst im dritten Buch kommt es zum furiosen Finale, als John Wolf, der mit den Jahren mehr als vierzig Morde auf dem Gewissen hat, auf einen ebenbürtigen Gegner trifft: den Vater von Lane, Profiler Dr. Lucas Frank. Nun wird der Wolf zum Gejagten, und die Geschichte verläuft in entgegengesetzter Richtung. Der Tanz wird kraftvoller, weniger poetisch, aber ebenso raffinert wie im ersten Teil, ebenso genußvoll auf beiden Seiten und mit derselben willigen Annahme des Todes. Dieser glänzend geschriebene Thriller war ein Genuß mit Gänsehaut.


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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