Eine Rezension von Horst Koch


Am Palast der Republik scheiden sich die Geister

Kirsten Heidler (Hrsg.):

Von Erichs Lampenladen zur Asbestruine

Alles über den Palast der Republik.

Argon Verlag, Berlin 1998, 220 S., zahlr. Abb.

Der hinter einem großen Bauzaun verborgene Palast der Republik wird von 700 Tonnen Spritzasbest befreit. Das ist das einzige, was man im Moment über den 1990 stillgelegten und seither von seinen beweglichen Teilen einschließlich der dort aufgestellten Kunstwerke und der Gemälde über die Sieghaftigkeit des Kommunismus befreiten Repräsentationsbau in Berlins Mitte weiß. Unklar ist sein weiteres Schicksal. Wird er komplett abgerissen? Kann man ihn überhaupt abreißen, und wenn ja, was hat das für Folgen für andere Bauten, wenn die riesige Betonwanne, auf der der Riesenklotz errichtet wurde, plötzlich wieder aufschwimmt? Die Beitragssammlung deutet einiges an, verrät aber auch keine letzten Wahrheiten. Sie kann es auch nicht tun, denn die Politiker, 1993 zum Abriß wild entschlossen, sind inzwischen ratlos, lassen erst einmal Architekten Situationspläne und „Neue Schlösser“ in Anlehnung an das 1950 abgerissene alte Stadtschloß zeichnen.

Der Untertitel der Sammlung von Meinungen und Erinnerungen an den mit ungeheurem Aufwand und Kosten von einer - nie offiziell zugegebenen - Milliarde DDR-Mark zwischen 1973 und 1976 aus dem Boden gestampften Bau, aufgeschrieben von Architekten und Aufpassern, Gästen und Gastronomen, Befürwortern und Gegnern des Abrisses ist ein wenig hochgestapelt, denn „alles“ erfährt man hier nicht. Aber manches in locker geschriebener Form, so in Aufsätzen des Architekten Heinz Graffunder über die Planung und Ausführung sowie von Bruno Flierl über die Hintergründe des Palastbaues, in der man auch etwas über die aus den fünfziger Jahren stammenden, sowjetischen Vorbildern abgeschauten Planungen für ein riesiges „Volkshaus“ erfährt. Es sollte auf dem anderen Ufer der Spree errichtet werden, genau dort, wo später das Denkmal von Marx und Engels aufgestellt wurde. Mitgeteilt werden auch Vorgänge, die sich hinter den Kulissen etwa in Vorbereitung von SED-Parteitagen abspielten, als beispielsweise mit einfachen, aber wirksamen Mitteln dem auf wackligen Füßen gehenden greisen KPdSU-Chef Breschnew der Weg über drei Stufen zum Rednerpult geebnet wurde. Leser werden sich in den Zeilen manchmal wiederfinden, wenn beispielsweise bunte Veranstaltungen geschildert oder die preiswerte Bewirtung gefeiert wird, die leider nur den Nachteil hatte, daß man als „Ost“-Bürger lange warten mußte, bis man gnädigerweise vorgelassen wurde, während Leute mit Westdevisen überfreundlich versorgt wurden. Denn auch im Palast der Republik war, so räumen die hier zitierten Zeitzeugen ein, der Kellner und nicht der Gast König.

Die im letzten Teil des kleinen, amüsant zu lesenden Sammelbandes abgedruckten Ideen und Thesen zur Weiterverwendung des Palastes der Republik sind allesamt ohne den Wirt, sprich den Bund und das Land Berlin, gemacht. Erst nach der Bundestagswahl wird sich zeigen, was aus der Asbestruine nun wirklich wird, ob sich private Geldgeber für eine Adaptation des alten Hohenzollernbaues wirklich finden, wie Schloß-Aktivist Wilhelm von Boddien verspricht, oder ob es zu Neubauten kommt, die die Qualität des alten Schlosses besitzen. Eines ist klar - sehr lange kann sich Berlin die „Brache“ mitten in der Stadt nicht mehr leisten.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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