Eine Annotation von Horst Wagner


Henkel, Martin:

Seele auf Sendung

Die Tricks der Talkshow-Tröster Hans Meiser, Ilona Christen und Jürgen Fliege

Argon Verlag, Berlin 1998, 260 S.

Offenbar hat sich der Autor, studierter Theologe und Sozialwissenschaftler, nicht recht entscheiden können, ob er eine soziologische bzw. medienwissenschaftliche Studie oder eine satirische Polemik schreiben soll. Herausgekommen ist eine Mischform, bei der sich unterhaltsame, oft zugespitzte Passagen mit z.T. langatmigen Schilderungen oder durch Fakten wenig gestützten Erörterungen abwechseln. Nicht ganz klar wird auch, warum er gerade diese Talkshow-Tröster ausgewählt hat. Wer wie ich ihre hier beschriebenen Nachmittag-Entertainments nicht sieht, wird erstaunt oder schockiert sein, daß darin so viele Belanglosigkeiten an ein anscheinend unbedarftes Publikum verkauft werden, wie von Henkel geschildert.

Von den behandelten Moderatoren kommt Jürgen Fliege, den Henkel einen „Meister des Seelenstriptease“ nennt, noch am besten weg. Ihm ist sogar ein spezielles Kapitel gewidmet. Sympathie zeigt der Autor auch für Hans Meiser, den er als „professionell, fair, selbstironisch, manchmal witzig“ schildert. Kaum etwas Gutes läßt er dagegen an den beiden Damen-Moderatoren: Ilona Christen, die „für ihre Sendungen eine Rolle geschaffen“ habe, „die sich aus Attributen von Seniorentum und Jugendlichkeit nicht recht harmonisch zusammensetzt“, an der er „Hilflosigkeit“ und „mangelnde Professionalität“ kritisiert, und Bärbel Schäfer, die der Autor (oder war es der Verlag?) wegen ihrer „Krawall-Sendung“ und wegen des „munteren Geredes über alles und gar nichts“ auf dem Buchtitel gleich gar nicht vorkommen läßt.

Nicht uninteressant, obgleich nicht gerade organisch mit dem Kontext verbunden, sind die mehr theoretischen Abschweifungen. So der Versuch, den Begriff Talkshow zu definieren und ihre vielen Unterarten näher zu bestimmen. Ebenso die Überlegungen zur Frage, wie und warum Talkshows auf Zuschauer wirken. Nachdenkenswert, wenn auch etwas langatmig, das Kapitel über unterschiedliche Traditionen und Gewohnheiten des amerikanischen und des bundesdeutschen Fernsehens hinsichtlich Unterhaltung im allgemeinen und Talkshow im besonderen. Zustimmen möchte man auch der Feststellung, daß die von Henkel behandelten Talkshows vor allem dazu da sind, „zwischen 11 Uhr morgens und 17 Uhr nachmittags keine Sendepause eintreten zu lassen, sondern auch in dieser für Werbung eher ungeeigneten Zeit etwas senden zu können, was sich als Umfeld für Werbung eignet“. (S. 85) Treffend finde ich manche Vergleiche Henkels, so diesen in seinem Fazit: „Die Alltags-Talkshow verhält sich zur sozialen Kommunikation wie ein Tamagotchi zu einem lebendigen Haustier; nicht jeder kann ein Haustier halten.“ (S. 250) Alles in allem bleibt der Schluß: Gut, daß es auch andere, hier nicht erwähnte, weil offenbar nicht als Alltag eingestufte Talkshows gibt, ob ihre Moderatoren nun Alfred Biolek, Erich Böhme oder Sabine Christiansen heißen.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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