Eine Annotation von Ulrich Blankenfeld


Borgmann, Reinhard/Staadt, Jochen

Deckname Markus

Spionage im ZK.

Transit Buchverlag, Berlin 1998, 180 S.

Nicht mal gemeinsam ergeben Gertrud und Erika einen Guillaume. Vorgeführt werden sie aber als „Zwei Top-Agentinnen im Herzen der Macht“. Man achte auf die ahistorische, akkurate, politisch korrekte feminine Bezeichnung! Im Herzen der Macht hieß auf gut DDR-Deutsch: Im Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Nun zu schlußfolgern, die CIA-Mädels hätten Genossen Ulbricht & Co ständig über die Schulter gelinst, ist ein Wagnis. So intim waren die Damen nämlich nicht, obwohl sie tief ins Innere des Machtapparats blickten. Rein telefontechnisch gesehen hatte die CIA durch Miß Gertrud Liebing, eine versierte Monteurin für Fernmeldeanlagen, im Büro des Politbüros einen großen Lauschangriff gestartet. Der was brachte? Den Staaten, Westeuropa, der BRD?

So top, scheint’s, waren die Top-Damen dann doch nicht. Offenkundig ist auch ihnen der Bau der Berliner Mauer nicht rechtzeitig zu Ohren gekommen. Oder sollte sich eines nicht sehr fernen Tages herausstellen, daß die Auftraggeber von Gertrud Liebing und Erika Lokenvitz Weltgeschichte verschliefen, weil sie die verschlafen wollten. Schließlich stand eines Morgens die Mauer da!

Die von Reinhard Borgmann und Jochen Staadt vorgenommene Ausgrabung des DDR-Geheimdienstdebakels, das der amerikanische Kompagnon koketterweise unterm Decknamen „Markus“ laufen ließ - denken sie an Mischa, den Wolf! - war für den Staatssicherheitsdienst ein Stück aus dem Tollhaus. In Zeiten des eisigsten Kalten Krieges gelang es dem US-Geheimdienst, seine „vermutlich erfolgreichsten Agentinnen“ in der DDR zu züchten. Wie das geschehen konnte, wird in dem Buch eher in der Personen- denn Zeitgeschichte dargesellt. Für die Verfasser sind die Geschichten von Liebing und Lokenvitz „Biographien aus versunkener Zeit“. Die ausgebrochen ist wie ein Vulkan? Liebing, die sich nie als Spionin begriff, war, ganz im Sinne der DDR-Terminologie, eine pingelige Kundschafterin. Auf der falschen Seite und schon deshalb kein weiblicher Richard Sorge. Aber Kommunistin. Eine von den selbstgetauften Kommunisten begründet enttäuschte Kommunistin. Die somit für sich die moralische Legitimation hatte, alles aus dem ZK-Koloß am Werderschen Markt herauszutragen, was sie hörte und sah. Die CIA war ja auf jeden Sch ... scharf! Stoff für einen Action-Agenten-Thriller lieferte der Fall auf keinen Fall. Nicht mal genug Material für ein „atemberaubendes“ Buch. Da, wo es sachlich belassenes Sachbuch bleibt, ist es am besten. Die tatsächliche Spannung verebbt schnell in klischeehaften Schilderungen. Der Fall, der nie Wellen schlug, plätschert nun an die Gestade der Gegenwart. In der es Klarsichthüllen en masse gibt.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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