Eine Annotation von Bernd Heimberger


Sempé, Jean J.:

Sempé’s Radfahrer.

Cartoons.

Diogenes Verlag, Zürich 1998, 61 S.

Manche Menschen möchten wirklich wissen, ob die meisten Menschen wirklich Menschen sind. Manche Menschen haben herausgefunden, daß die meisten Menschen Radfahrer sind. Also Leute, die treten, und Leute, die getreten werden. Was heißt, daß die menschliche Gesellschaft eine Gesellschaft der Radfahrer ist. Und die Radfahrergesellschaft besteht aus Jagenden und Gejagten, Unverzagten und Verzagten, Schwungvollen und Schwunglosen, Rasenden und Rastenden, Schreienden und Schweigsamen, Selbstfahrern und Mitfahrern. Und so weiter, und so fort! Was sagt, daß die Radfahrergesellschaft genug mit der menschlichen Gesellschaft gemein hat. - So sieht’s jedenfalls Monsieur Sempé. Offenbar ein großer Radler vor dem Herrn, ist er liebenswerter Spötter auf Erden. Dem frechen Franzosen ist auch das Heiligste nicht heilig. Die Tour de France zieht beim Meister des Zeichenstifts als mächtige Ameisenschlange durch die großen Städte. Was nicht bedeutet, daß Sempé’s Radfahrer-Buch gegen die Teufel auf dem Drahtesel zu Felde zieht. Meister Sempé hat und zeigt Mitgefühl für die Einsamkeit des Radfahrers, der, allein auf weiter Flur, dem gräßlichsten Gewitter ausgesetzt ist. Kein segnender Priester der Pedalritter, grüßt Sempé ritterlich von Drahtesel zu Drahtesel. Sempé’s Radfahrer ist eine Tour de Sempé. Rund ums Rad. Ach nee! Rund um die Radler, die auch nur Menschen sind. Was ihr Radeln so menschlich macht. Siehe Sempé!


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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