Eine Annotation von Karl-Heinz Arnold


Leuci, Bob:

Captain Butterfly

Aus dem Amerikanischen von Peter Torberg.

Wilhelm Heyne Verlag, München 1995, 269 S.

 

Haffmanns Kriminalromane bei Heyne - mögliche Ausnahmen mögen die Regel bestätigen - tendieren zur psychologischen Aufbereitung einer Geschichte, weniger oder gar nicht zur sexgarnierten Action, was keineswegs Prüderie bedeutet. Eine angenehme Tendenz. Bob Leuci befindet sich da beispielsweise in Nachbarschaft mit dem originellen Kinky Friedman aus dieser unterhaltsamen Reihe.

Hier haben wir es mit einem beinahe zeitlosen Thema zu tun: Frau auf den ersten Stufen der Karriereleiter in einer Welt der Männer, im Polizeidienst. Marjorie Butera hat es in der New York City Police immerhin schon zum Captain gebracht. Sie ist Captain Butterfly, hat aber keine Ähnlichkeit mit einer zarten fernöstlichen Dame oder einem Schmetterling, der von Blüte zu Blüte flattert, die Zahl ihrer Liaisons hält sich in sehr engen Grenzen. Der Konfliktstoff ergibt sich aus Marjories Tätigkeit in der polizeiinternen Untersuchungsabteilung, die für propere Verhältnisse im weltgrößten städtischen Bullenstall sorgen soll, und sie ergibt sich vor allem daraus, daß die Dame kein Auge zudrücken will, wenn sie auf Unterschleife stößt.

Wie der einschlägig vorgebildete Leser weiß, gibt es in der New Yorker Polizei hinreichend Unterschleife (nebenbei fragt man sich, wieso es anderswo viel anders sein sollte). Captain Butterfly weiß, daß sie dergleichen nicht ausrotten kann, aber sie will die Kriminalität in der Antikriminalitäts- Organisation zurückdrängen oder in Grenzen halten helfen. Diese moralische und realistische Position erklärt sie ihrem Freund, dem Journalisten Charlie:

„Ich habe dieser Stadt schon vor langer Zeit verziehen, daß sie so ist, wie sie ist. Ich kenne tonnenweise Geschichten von Brutalität und Verrat. Die kennt jeder Polizist. Und ich lebe mit dem, was ich nicht ändern kann. Und dennoch habe ich das Recht, eine anständige Person zu sein. Ich glaube an das, was ich tue, und Politik ist mir scheißegal. Ich bin ein Bulle, Charlie, das ist alles. Ich werde meinen Job tun, und ich werde ihn so gut machen, wie ich kann, auf meine Weise.“

Sie macht ihn gut, auf eine wenig kompromißbereite offene Weise, die bekanntlich mehr Feind als Ehr einbringt, aber da Marjorie in Brooklyn ein ganzes polizeiliches Giftschlangennest ausheben hilft, bringt diese Tat auch Ehre ein - Frau Captain wird Vize-Polizeichefin von New York, unter einem neuen Polizeichef, nachdem dank Marjories kämpferischem Geschick ein paar Köpfe gerollt sind, ohne daß freilich das ganze Ausmaß des aufgedeckten Sümpfchens der Öffentlichkeit präsentiert wurde, man soll ja die Bürger nicht unnötig beunruhigen. Für diese kosmetische Operation der Wahrheit erwies sich Journalist Charlie als hilfreich, wobei ihm für eine gute Story noch genug Stoff blieb. Auch in diesem Punkt ist die Geschichte durchaus realistisch.

Der Karrieresprung von Captain Butterfly zumindest ist frei erfunden - es hat in New York noch nie eine Frau in solch hohem Amt gegeben. Das Milieu aber, der Stallgeruch, die unterschiedlichen Polizistentypen, die Verbrecher- und Elendsgestalten erscheinen authentisch. Ein Dutzend ist mit wenigen Strichen lebensecht gezeichnet, mit Individualität ausgestattet. Bob Leuci weiß offenbar, worüber er schreibt. Und er schreibt gut: Einem Mann gelingt es, einen sehr weiblichen Helden zu erschaffen, eine Heldin also, die fast ein Macho ist und alle Sympathie des Lesers einsammelt, weil sie ebenso intelligent wie emotional den Machos zeigt, was eine Harke ist.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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