Eine Belletristik-Annotation von Thomas Przybilka

Liedtke, Hartwig:

Scharfe Schnitte.

Grafit Krimi 077.

Grafit Verlag, Dortmund 1997, 257 S.

 

In der Tat mag es dem einen oder anderen Leser reichlich konstruiert vorkommen, wenn ermittelnde Kriminalbeamte Freunde aus dem „normalen“ Umfeld bitten, sie bei ihren Ermittlungen als Undercover-Agenten zu unterstützen. Solch eine Konstruktion ist es, der sich der schreibende Unfallarzt Hartwig Liedtke bedient. Nur wie und mit welchem Ergebnis er dies tut, ist ebenso schlichtweg einmalig wie erfolgreich.

Im Kölner St.-Josef-Krankenhaus wird der junge Chirurg Dr. Rudolf Zahnstein (sic!) an seinem Arbeitsplatz ermordet. Die Kommissare Hans Schmalenberg und Ulrike Bohlmann bitten den befreundeten Arzt Martin Grundmann, seinen sicheren Arbeitsplatz zu kündigen, um sich dann im St.-Josef-Krankenhaus neu zu bewerben. Dort derart eingeschleust, soll er das Kriminalistenpaar verdeckt vor Ort bei den Ermittlungen unterstützen. Mit Chuzpe wählte Liedtke diesen Kniff, um mit Eleganz und Verve seinen inzwischen dritten „Medizin-Krimi“ über 250 Seiten voranzutreiben. Grundmann bekommt langsam eine Ahnung, auf was für ein Abenteuer, oder besser, auf was für ein medizinisch-kriminalistisches Himmelfahrtskommando er sich hier eingelassen hat. Sicheres Situationsgefühl, Spannung, Humor und - trotz Konstruktion - klasse Plots, all diese für einen Krimi wichtigsten Ingredienzen werden von Liedtke bestens bedient. Die beteiligten Neigungs- wie Berufsermittler, und damit der Leser, bekommen ein mehr oder weniger ungeschminktes Bild des Krankenhausalltags. Im St.-Josef-Krankenhaus scheinen korrupte, geldgeile und profilneurotische Oberärzte und Operateure Hand in Hand mit menschenverachtenden Versicherungskonzernen und Rentenanstalten zu arbeiten. Aufgedeckt wird letztlich ein „Euthanasie-Prinzip zur Kostendämpfung im Rentenwesen“. Ein Reformprogramm der ganz besonderen Art!

Hartwig Liedtke ist es wieder einmal gelungen, den Medizinalltag mit wachen, kritischen Augen zu betrachten. Dem Leser sei empfohlen: wenn schon krank, dann möglichst zu Hause. So hat er wenigstens die Chance, auch die beiden vorangegangenen Krimis von Liedtke, ebenfalls aus dem Grafit Verlag, streßfrei und in Ruhe zu lesen.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite