Eine Sachbuch-Annotation von Max-Claus Resel

Taylan, Kamil:

Tödliche Pisten

Skirennen um jeden Preis.

Reihe Sport-Report.

Sportverlag, Berlin 1997, 179 S.

 

Es liegt gewiß nicht an dem Autor Kamil Taylan - einem Enddreißiger, der auch schon Kriminalromane verfaßt hat -, daß sein Buch mit einem Tod beginnt: dem der Doppelweltmeisterin Ulli Maier beim Skiweltcup am 29. Januar 1994 in Garmisch.

Auf den Seiten 8 bis 10 werden in genauer Reihenfolge alle Toten aufgezählt, die auf den „tödlichen Pisten“ umkamen.

Kamil Taylan hat ein mutiges Buch geschrieben, das sich sehr gut in die Reihe „Sport-Report“ des Sportverlages Berlin einfügt und sie weiter profiliert. Es ist die bislang schonungsloseste Abrechnung mit dem sogenannten „Skizirkus“ in einer Buchveröffentlichung. Kamil Taylan hat das Geschäft mit dem alpinen Skisport mit unbestechlichem Blick durchleuchtet. Herausgekommen ist „ein Bericht über die Hochrüstung im Skisport, über das Zusammenspiel des Skiweltverbandes FIS und der Industrie. Und über Läufer, die ihr Leben aufs Spiel setzen müssen, wenn sie nach ganz oben wollen. Dieses Buch ist“ - wie der Autor im Einleitungsteil bekennt - „auch ein Report über den Skizirkus, die Werbung und das Fernsehen. Ohne TV kein Verkaufserfolg, ohne Sturz keine Einschaltquote.“ (S. 10)

Daß das Buch auf der Grundlage der gleichnamigen ARD-Dokumentation vom Februar 1997 entstanden ist, merkt man an der Bildhaftigkeit und Prägnanz der Sprache ebenso wie an der Unerschütterlichkeit des Faktenmaterials. Unwiderlegbar und genau werden die Großverdiener am Skizirkus benannt, die Mitwirkung der FIS enthüllt. Es werden die Orte beim Namen genannt, die die „tödlichen Pisten“ immer gefährlicher ausbauen. „Es gibt wohl keinen anderen Ort in den Alpen, der dem Fernsehen so entgegengekommen ist wie Kitzbühel. Jedes Jahr etwas spektakulärer, jedes Jahr etwas tödlicher. Die Stürze hier sind Trophäen für die Organisatoren. Es ist kein Versprecher, sondern ein ehrliches Kalkül, wenn sich der Stadionsprecher nach einem Trainingssturz öffentlich über den Sturz und deswegen auf die nächsten 10000 Zuschauer mehr am Renntag freut ... Der Tod als Geschäftsgrundlage einer Sportart“, lautet die bittere Schlußfolgerung, die Kamil Taylan gezogen hat. (S. 177/178)

„Ist die Grenze nicht schon lange überschritten, an der das Spiel mit dem Nervenkitzel, mit dem Tod zu weit geht?“ fragt der Autor am Schluß seines Buches. „Wenn nicht, wo liegt diese Grenze, bei wieviel Leichen auf den tödlichen Pisten? Wieviel Kreuze und Gedenktafeln müssen die Strecken säumen, damit die Verantwortlichen die Notbremse ziehen?“ (S. 179) Keine dieser Fragen kann Kamil Taylan allein beantworten, trotzdem zeugt es von Mut und Verantwortung, sie in aller Schärfe gestellt und die Öffentlichkeit auf die Brisanz der Probleme um die „tödlichen Pisten“ aufmerksam gemacht zu haben. Das ist heutzutage schon sehr viel wert.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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