Eine Annotation von Bjö,rn Berg

Lehnert, Gertrud:

Wenn Frauen Männerkleider tragen

Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1997, 223 S.

 

Stolz und steif marschiert Gertrud Lehnert auf. Stellt sich schützend hinter das Katheder der Wissenschaft und beginnt ihre Lektion über „das subversive Potential der Verkleidung“, das die „gewohnten Wahrnehmungsmuster“ stört und „die sonst getrennten Zeichensysteme für Weiblichkeit und Männlichkeit zusammenbringt“. Eine, die dieses grenzenlose Spiel bestens beherrschte, war die Diva Marlene Dietrich. Eine Ikone des Androgynen?

Auf solche simplen Fragen geht G. Lehnert nicht ein. Ihre Schrift Wenn Frauen Männerkleider tragen strebt keine Popularität an und mißbraucht das Papier auch für keine populistischen Äußerungen. Das Buch ist ein angestrengtes Seminar zu „Geschlecht und Maskerade in Literatur und Geschichte“, in Kunst und Kino. Frauen in Uniform sind kein Thema. Weil das tatsächlich keine Maskerade ist? Weil alles Spielerische aus dem Spiel mit dem Geschlecht verbannt ist? Wissenschaftlichen und ästhetischen Ansprüchen entsprechend, spannt sich die Autorin vor keinen feministischen, emanzipatorischen, lesbischen Karren. Lehnert ist nicht die Sprecherin irgendeiner spektakulären Theorie vom Tausch der Geschlechter. Lehnert ist keine Apologetin der Androgynen. Die Wissenschaftlerin propagiert ihr Wissen, daß es nicht nur zwei Geschlechter, nicht nur eine Differenz zwischen Geschlechtern gibt. Es gibt eine „Vielzahl von Differenzen und Übergängen“, die „das umfassende Spiel der Intersexualität“ ermöglichen und ausmachen. Das ist nicht aus den Fingern gesogen, sondern das Fazit der Überschau und Überlegungen der Gertrud Lehnert. Ihr Buch ist ein gehaltvolles Buch. Es ist ein Buch, das Menschliches in einen Wissenschaftsdiskurs kleidet.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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