Eine Rezension von Licita Geppert

Schmerzvolle Offenheit

Katrin Rohnstock (Hrsg.): Ex. Trennungsgeschichten.

Buchreihe Ost-Westlicher Diwan.
Elefanten Press, Berlin 1997, 191 S.

Obwohl dieses Buch tatsächlich Trennungsgeschichten von Mann und Frau zum Thema hat, erscheint es mir doch als ein Sinnbild des ständigen Auseinanderdriftens der beiden deutschen Teile, des östlichen und des westlichen, nach der Wiedervereinigung. Wurden während der Zeit der deutschen Teilung offiziell wie inoffiziell vor allem die bestehenden Gemeinsamkeiten hervorgehoben, so wird nach der Vereinigung zunehmend das Trennende betont. Beides ist Ausdruck für seelische Zustände als Reaktion auf tatsächliche Gegebenheiten.

Umgekehrt zur Bewertung der Wiedervereinigung verhält es sich bei den vorliegenden Trennungsgeschichten, die offen Authentizität zeigen oder diese zu kaschieren versuchen. Gemeinsam ist allen Berichten eines - nach der Trennung wird das Trennende thematisiert und auch für die Zeit der Gemeinsamkeit als das eigentlich Bestimmende empfunden. Dies ist das Bestürzende an den Bekenntnissen. Der Leser zieht unweigerlich Parallelen zu eigenem Erleben, Glück und Unglück im Liebesleben, und er fragt sich verwundert angesichts dieser gegenseitigen Ablehnung der Partner schon vor der Trennung, welches die Gründe für ein Zusammenfinden und -bleiben waren.

Paare kommen zu Wort und geben ihre Sicht auf gleiche Situationen und Entwicklungen wieder, als handle es sich um völlig verschiedene. Dies erzeugt beim Leser das bekannte Gefühl, im falschen Film zu sitzen. Einige Paare repräsentieren auch Ost-West-Verbindungen. Da sich dieses Büchlein ausschließlich den Trennungsgeschichten widmet, wird auch hier wenig Verbindendes sichtbar. Gleichzeitig wird aber deutlich, daß sich hinter der gescheiterten Beziehung weniger die in Ost und West unterschiedlich entwickelten Lebens- und Partnerschaftsansprüche verbergen als menschliche Schwächen, Unverständnis und die Unfähigkeit, aufeinander einzugehen. Das aber wiederum ist typisch für alle aufgezeigten Lebenswege.

Die Überbetonung der Individualität muß zwangsläufig zur Aufgabe der Gemeinsamkeit führen, da jedes Individuum gleichzeitig die Freiheit eines anderen Individuums einschränkt. Die Bedeutung dieser „Freiheit des einzelnen“ als einen „zentralen, soziokulturellen und rechtlichen Wert“ untersucht Carsten Rummel in dem Beitrag „Der Mythos Kindeswohl“, der sich im zweiten, jedoch nicht gesondert gekennzeichneten Teil des Buches befindet. Dieser Teil widmet sich den soziokulturellen Ursachen des Phänomens Trennung, dem auch die Untersuchungen von Jutta Gysi, Walter Kiefl und Dietrich Mühlberg gewidmet sind.

Der romantische Liebesbegriff, seine Verbindung mit dem modernen Freiheitsbegriff und ein kaltes sozial-ökonomisches Klima bilden die grundlegenden Faktoren für das Bestehen oder Scheitern von Partnerschaftsbeziehungen, deren juristische Normierung im Trennungsfall ungeahnte soziale, psychische und finanzielle Folgen nach sich ziehen kann. Die Tatsache, daß eigenverantwortlichen Menschen hiermit Instrumente für jahrelange Rachefeldzüge am geschiedenen Partner in die Hand gegeben werden, worunter nicht nur dieser selbst, sondern am allermeisten die gemeinsamen Kinder, aber auch die neuen Familienbeziehungen leiden, stellt einen Anachronismus in der gesellschaftlichen Entwicklung, auch der Emanzipation der Frau, dar.

Es ist ein Verdienst von Katrin Rohnstock, sich diesem ungeliebten Thema gewidmet zu haben. Dank gebührt auch allen Autoren der Trennungsgeschichten für ihre meist schmerzvolle Offenheit.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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