Eine Rezension von Horst Wagner

„Medienkids weltweit“

Reiner Engelmann (Hrsg.): Alles so schön bunt hier!
Texte über den Umgang mit den Medien.

Arena Verlag, Würzburg 1996, 253 S.

Als Leser dieses Buches stelle sie sich 12-13jährige vor, schreibt eine der Autoren, die Journalistin Gabriela Wenke.

In der Tat haben eine ganze Reihe der Textverfasser ihr Anliegen in kleine Geschichten für etwa diese Altersgruppe gepackt. Andere haben wissenschaftliche Aufsätze verfaßt oder sachliche Berichte über die Ergebnisse von Umfragen, Untersuchungen und aus der Arbeit von Medienwerkstätten geschrieben. Das gibt dem Buch von vornherein eine gewisse Uneinheitlichkeit, die den Leser zwingt, sich einmal als Kind, ein andermal fast als Fachspezialist zu fühlen. Aber vielleicht liegt in diesem Wechsel der Schreibarten und Genres wie der gedachten Adressaten auch ein Vorteil, der den Sammelband reizvoll vom reinen Sachbuch unterscheidet.

Kinder und Jugendliche sind zwar nicht ausschließlich Adressaten der Texte, aber ihr Umgang mit den Medien und dieser mit ihnen ist das zentrale Thema der 26 Beiträge von 22Autoren, unter denen sich Wissenschaftler ebenso finden wie Pädagogen, Journalisten, Schriftsteller und mit Manfred Bofinger auch ein bekannter Illustrator. Unter Medien werden dabei hauptsächlich Buch, Fernsehen und Computer verstanden. Letzterer scheint mir - angesichts seiner wachsenden Bedeutung, Verbreitung und Beliebtheit gerade unter jüngeren Jahrgängen - eher zu kurz als zu breit behandelt. In einzelnen Beiträgen wird auf die eigenschöpferische Arbeit mit Videos, die Verführungskraft der rechtsextremistischen Musikszene oder die Erfahrungen mit einer Kinderbuchmesse eingegangen. Der „Medienkids weltweit“ überschriebene Einleitungsbeitrag zeigt, wie Kinder verschiedener Erdteile selbst Zeitschriften, Fernsehsendungen sowie Unterrichtshilfen gestalten oder zu Malen, Zeichnen und Basteln angeregt werden.

Eine besondere Lanze wird für das Buch gebrochen, und es wird wiederholt bedauernd festgestellt, daß Kinder wegen der größeren Reize, die offenbar Fernsehen und Computer ausüben, zu wenig lesen. Das mag ja stimmen. Aber warum wird dann nicht mal untersucht, wie Fernseh- und Computerprogramme auch die Liebe zum Buch anregen können? Daß Kreativität und Selbstvertrauen nicht nur durch Literatur, sondern auch durch den Computer gefördert werden, zeigt die schöne Geschichte „Der zweite Bill“ von Nevfel A.Cumart. Was das Fernsehen betrifft, so vertritt Horst Petri die Meinung, daß die Kritik an diesem Medium oft zu kurz greift. Die Gefahr gehe nicht nur von Gewaltdarstellungen aus, sondern bestehe darin, daß Kinder „schon von frühestem Alter an, jenseits aller familiären Heuchelei und Schulweisheit“ erfahren, „wie Menschen wirklich sind“. Eine erfreuliche Gesamtsicht bieten die beiden letzten Beiträge des Taschenbuches. Während Gabriela Wenke sich mit guten Argumenten gegen die bei jeder älteren Generation wieder aufkommende Angst vor neuen Medien wendet und sich für einen selbstbestimmten und selbstbewußten Umgang mit den Medien einsetzt, stellt Professor Tulodziecki sehr nachvollziehbare, einleuchtende Regeln für eine Medienerziehung auf, die offenbar doch nötig ist, um zu solch selbstbestimmtem Umgang zu kommen.

Ob viele Kinder des eingangs angesprochenen Alters zu diesem Büchlein greifen werden, weiß ich nicht. Anregend für Eltern ist es allemal, und die könnten es ja ihren Sprößlingen weitergeben.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite