Eine Rezension von Gabriele Reinhold

Selbstauskünfte

Von Autoren und Büchern
Klaus Bednarz und Gisela Marx im Gespräch mit Schriftstellern.

Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1997, 286 S.

 

Lust machen aufs Lesen soll diese Anthologie, darum geht es den Herausgebern.

In dem Buch finden sich Selbstauskünfte von 37 deutschen und internationalen Autoren - darunter einige von Weltgeltung wie Lars Gustafsson, Pavel Kohout, Harry Mulisch oder Andrzej Szczyporski - über „das schillernde Gewerbe des Schreibens“. Sie alle waren in den Jahren 1990 bis 1996 zu Gast bei der Veranstaltung „Literatur im Römer“, die alljährlich zur Frankfurter Buchmesse stattfindet und mittlerweile eine Art Kultstatus hat. Bednarz und Marx, beide namhafte Journalisten, haben ihre dort mit den Schriftstellern geführten Gespräche - vermutlich etwas gekürzt - zu diesem Band zusammengefaßt.

Den Selbstauskünften von Lew Kopelew, Franca Magnani, Heiner Müller und Erwin Strittmatter kommt angesichts der traurigen Tatsache, daß diese Autoren inzwischen verstorben sind, „der Stellenwert unwiederbringlicher Zeitzeugen zu“. (S. 11)

In den Dialog finden Frager und Befragte fast immer über eine vom Autor vorgetragene Lesung aus seiner jüngsten literarischen Veröffentlichung. Wie auch immer die Texte bei dem seinerzeit im Römer versammelten Publikum angekommen sind (nicht jedem Meister der schreibenden Zunft ist auch das Talent gegeben, das geschriebene Wort rhetorisch wirkungsvoll zu Gehör zu bringen), mir haben zwar nicht alle, so doch viele der Leseproben ganz im Sinne der Herausgeber Lust gemacht auf das ganze Werk. Für die Autoren sind sie in jedem Fall eine gute Werbung in eigener Sache.

Marx wie Bednarz widerstehen der Versuchung, sich vor allem selbst profilieren zu wollen. Sie sind nicht auf einen pointierten Schlagabtausch aus, sondern bringen sich unangestrengt und locker als Mittler zwischen Autor und Leser in die Gespräche ein, mit dem Ziel, Aufklärung zu bewirken und Leben und Werk der Autoren Literaturliebhabern nahezubringen. Kenntnisreich und mit viel Einfühlung in die so unterschiedlichen literarischen Persönlichkeiten, unternehmen sie den Versuch, die Befragten zu einer Plauderei aus dem Nähkästchen zu verführen.

Was man schon immer über Autoren und ihre Schaffensprobleme wissen wollte, aber vielleicht aus Mangel an Gelegenheit nicht zu erfragen vermochte - hier wird es zur Sprache gebracht. Da ist u. a. von Fiktion und Wirklichkeit und vom Finden und Erfinden von Geschichten die Rede, von Erzählstrukturen und „Wort-, Stil- und Sprachexperimenten“, von der „Suche nach Identität und Heimat“ und davon, inwieweit Autobiographisches Stoff und Thema beeinflußt. Darüber hinaus geht es um „Zweier-, Dreier- und sonstige Beziehungen“ und um die Einsamkeit am Schreibtisch, auch um Anerkennung und Nachruhm inklusive eines Rezepts: „... Am Anfang des Ruhms steht der richtige Name, am Ende das richtige Sterben.“ (S. 33) Und natürlich wird, wen wundert es, die Ignoranz der Literaturkritik beklagt. („Wir verkehren nicht mehr miteinander.“ S. 266)

Unterm Strich erscheint Schreiben als das, was es ist, als ein schwieriger Prozeß, der offensichtlich schwer zu erklären ist.

„Die in diesem Band versammelten Texte und Gespräche deutscher Autoren vermitteln einen, wenn auch naturgemäß nicht vollständigen, so doch repräsentativen Überblick über die wichtigsten literarischen Entwicklungen seit der deutschen Wiedervereinigung“ (S. 11), resümieren die Herausgeber. Dem hätte man zustimmen können, wenn hier mehr als nur zwei ostdeutsche Literaten (Heiner Müller und Durs Grünberg) zu Wort gekommen wären (an das Gespräch mit Erwin Strittmatter über seine Roman-Trilogie Der Laden wird lediglich beschreibend erinnert, weil es „wegen eines technischen Mißgeschicks nicht mehr als Aufzeichnung vorhanden ist“. ( S. 11) So jedenfalls erscheint das, was ostdeutsche Autoren mittlerweile in die gesamtdeutsche Literaturszene einbringen, doch etwas unterrepräsentiert.

Alles in allem aber empfiehlt sich die Anthologie als ein unterhaltsames Lesebuch, das Neugierde befriedigt und neugierig macht - auf Bücher.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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