Kalenderblätter

Literatur-Kalender Februar 1998

Angeregt durch Reclams Literatur-Kalender 1998 (wir stellten ihn im Heft 1/1998 vor), setzen wir mit diesem Heft die Aufstellung der literarischen Gedenktage fort. Wir ergänzen sie mit kurzen Angaben zum Leben und Schaffen des betreffenden Dichters, erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

7. Februar Ann Radcliffe 175. Todestag

* 9. 7. 1764 London

† 7. 2. 1823 London

Ann Radcliffe - englische Romanschriftstellerin, Vertreterin des englischen Schauerromans (gotic novel, „gotischer Roman“). In ihren Romanen verband sie effektvoll eingesetzte, atmosphärisch dichte Naturschilderung mit Einflüssen der Empfindsamkeit und führte übernatürlich erscheinende Ereignisse zu einem rational analysierenden Schluß. Am bekanntesten sind außer ihrem Erstling Die Schlösser von Athlin und Dunbayne insbesondere die Romane Udolphos Geheimnisse (4 Bde.) und Die Italienerin oder der Beichtstuhl der schwarzen Büßenden (3 Bde.).

8. Februar Jules Verne 170. Geburtstag

* 8. 2. 1828 Nantes

† 24. 3. 1905 Amiens

Jules Verne - französischer Schriftsteller. Er schrieb zunächst Opernlibretti und Dramen und wurde ab 1863 mit utopischen Abenteuer- und Entdeckerromanen bekannt, die z. T. technische Entwicklungen des 20. Jahrhunderts vorwegnahmen und am Beginn der Science-fiction stehen. Dazu zählen u. a. Fünf Wochen im Ballon, Reise nach dem Mittelpunkt der Erde, Von der Erde zum Mond, Die Kinder des Kapitän Grant (3 Teile), 20 000 Meilen unterm Meer (2 Teile), Reise um den Mond, Die Reise um die Erde in 80 Tagen, Die geheimnisvolle Insel und Der Kurier des Zaren (2 Bde.). Während in den frühen Romanen der ununterbrochene Glaube an den technischen Fortschritt dominiert, spiegeln die späteren Romane eine stärkere Hinwendung zu sozialen und politischen Fragen wider.

9. Februar Brendan Behan 75. Geburtstag

* 9. 2. 1923 Dublin

† 20. 3. 1964 Dublin

Brendan Behan - irischer Dramatiker und Erzähler. Er gestaltete in seinen Dramen die immer wieder scheiternde irische Aufstandsbewegung und zeichnete mit großer sprachlicher Sicherheit die Außenseiter der Gesellschaft. Sein bekanntestes Stück Die Geisel behandelt als Tragikomödie die Geiselnahme eines englischen Soldaten durch IRA-Mitglieder. Wegen Zugehörigkeit zur IRA mehrere Jahre im Gefängnis, verarbeitete Behan diese Erlebnisse in dem Drama Der Mann von morgen früh, das den letzten Abend eines Strafgefangenen vor seiner Hinrichtung schildert, und in seiner zweiteiligen Autobiographie Borstal Boy und Bekenntnisse eines irischen Rebellen.

9. Februar Karl Valentin 50. Todestag

* 4. 6. 1882 München

† 9. 2. 1948 München

Karl Valentin (eigentlich Valentin Ludwig Fey) - deutscher Komiker und Schriftsteller, - hatte mit seiner Partnerin Liesl Karlstadt großen Erfolg als Kabarettist. In seinen Couplets, Monologen und kurzen, grotesk-komischen Szenen von abstrakter, absurder Logik - als Beispiele sollen Buchbinder Wanniger, Die gestrige Zeitung, Tingeltangel, Die Raubritter vor München und Semmelnknödeln genannt werden - stellte er die Hilflosigkeit des Menschen in der Alltagswelt dar. Valentin hatte Einfluß auf die Jugendarbeiten Brechts.

10. Februar Bertolt Brecht 100. Geburtstag

* 10. 2. 1898 Augsburg

† 14. 8. 1956 Berlin

Bert(olt) Brecht - deutscher Schriftsteller und Regisseur. Brecht gehört zu den einflußreichsten Autoren des 20. Jahrhunderts. Besonders bestimmend für sein Leben und Schaffen wurde die Erfahrung des Ersten Weltkrieges und die allmähliche Hinwendung zum Marxismus (ab 1926), ohne aber selbst je der kommunistischen Partei beizutreten. Sein Schaffen entwickelte sich vom rauschhaft bejahten Nihilismus und Individualismus der Frühwerke (z. B. Baal, Im Dickicht der Städte, Mann ist Mann, Die Dreigroschenoper) zum Glauben an das Kollektiv und zur strengen Disziplin der sogenannten „Lehrstücke“ (z. B. Die Maßnahme, Die heilige Johanna der Schlachthöfe), um schließlich in den Meisterwerken der Exilzeit (z. B. Leben des Galilei, Mutter Courage und ihre Kinder, Herr Puntila und sein Knecht Matti, Der gute Mensch von Sezuan, Der kaukasische Kreidekreis) diese Gegensätze in dichterisch vollendeter Synthese zu versöhnen. Der Zwiespalt zwischen menschlicher Freiheit und sozialer Gerechtigkeit, Glücksverlangen des einzelnen und Notwendigkeit des Opfers ist das Grundproblem, um das Brecht ständig kreist. Neben theatertheoretischen Schriften verfaßte er auch Lyrik (Hauspostille, Svendborger Gedichte), Romane, Kurzgeschichten, Kalendergeschichten, Hörspiele, Dialoge, Pamphlete, lehrhafte Prosa und ein Ballett. Nach seinem Tode erschienen Schriften zur Literatur und Kunst, Schriften zur Politik und Gesellschaft sowie Texte für Filme.

13. Februar Wilhelm Heinrich Wackenroder 200. Todestag

* 13. 7. 1773 Berlin

† 13. 2. 1798 Berlin

Wilhelm Heinrich Wackenroder - deutscher Kunsttheoretiker, Erzähler und Philologe. Wackenroder unternahm mit seinem Freund Ludwig Tieck im Sommer 1793 vom Studienort Erlangen aus Wanderungen durch Franken (Bamberg und Nürnberg), auf denen sie sich für altdeutsche Baukunst, Malerei und die Natur begeisterten. In Zusammenarbeit mit Tieck entstanden die Phantasien über die Kunst ... und vor allem die Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Diese Künstlernovellen sowie Aufsätze, Verse und literarische Prosa haben die frühe deutsche Romantik wesentlich beeinflußt. Seine weiteren Schriften, auch die Reisebriefe, zeigen ihn als scharf beobachtenden, kritischen und dabei humorvollen Autor. Wackenroders eigentliches Ziel war nicht nur Kunstandacht, sondern eine Verschmelzung von Kunst und Religion.

13. Februar Georges Simenon 95. Geburtstag

* 13. 2. 1903 Lüttich

† 4. 9. 1989 Lausanne

Georges Simenon (Pseudonym G. Sim) - belgischer Schriftsteller französischer Sprache. Als Journalist unternahm er zahlreiche Reisen. Weltbekannt wurde er durch seine Kriminalromane um die Gestalt des Kommissars Maigret, in denen die Charakterzeichnung und die psychologische Analyse (Erforschung der zur Tat führenden Motive und Umstände, die einen Normalbürger zum Verbrecher werden lassen) und nicht das moralische Urteil im Vordergrund stehen. Seine Krimis - er schrieb rund 200 - versuchen, die Mißstände der Gesellschaft aufzudecken. Simenon verfaßte auch psychologische Romane mit ausgezeichneten Milieuschilderungen sowie autobiographische Arbeiten, Reiseberichte und Reportagen.

17. Februar Molière 325. Todestag

* 15. 1. 1622 Paris

† 17. 2. 1673 Paris

Molière (eigentlich Jean Baptiste Poquelin, nannte sich seit 1644 Molière) - französischer Komödiendichter, Schauspieler und Theaterleiter. Molière gilt als Begründer der klassischen französischen Komödie. Er schrieb klassische Komödien, tolle Farcen, Prosakomödien, außerdem Stücke zur Unterhaltung des Hofes mit Gesangs- und Balletteinlagen. Die bedeutendsten seiner 32 erhaltenen Komödien sind Tartuffe, Die köstliche Lächerlichkeit, Don Juan, Der Menschenfeind, Der Geizige, Die gelehrten Frauen sowie Der eingebildete Kranke. Seine Stücke beziehen sich auf Zustände der zeitgenössischen Gesellschaft, charakterisieren mit konkreten Einzelfällen allgemeine menschliche Grundschwächen wie Geiz, Heuchelei, Egoismus, Dünkel und Hypochondrie und sind deshalb von überzeitlicher Gültigkeit. Allen Stücken zugrunde liegt Molières ausgeprägter Sinn für das Echte, Maßvolle, Vernünftige und insofern den Gesetzen der Natur Gemäße. Die Komik umfaßt die ganze Skala zwischen derber primitiver Heiterkeit und Verhaltenheit; sie entsteht dadurch, daß Personen der Natur zuwiderhandeln. Molière bekämpft diese Personen, deren Verhalten Umwelt und Gesellschaft schädigt, indem er sie der Lächerlichkeit preisgibt.

21. Februar Raymond Queneau 95. Geburtstag

* 21. 2. 1903 Le Havre

† 25. 10. 1976 Neuilly-sur-Seine bei Paris

Raymond Queneau - französischer Schriftsteller und Sprachwissenschaftler. Anfangs Surrealist, gehörte er zu den Begründern des „Oulipo“ (Ouvroir de littérature potentielle), einer internationalen Vereinigung an formalen Experimenten besonders interessierter Schriftsteller. Seine Romane sind nach formalen Regeln - der Mathematik und der Linguistik entlehnt - konstruiert. Queneau war auch ein Meister der literarischen Nachahmung, etwa in Form der Parodie oder der Glosse; auch hier werden literarische Inhalte formalen Regeln unterworfen. Am deutlichsten wird dieses Gestaltungsprinzip in den Stilübungen, in denen Queneau dieselbe alltägliche Begebenheit in 99 Variationen erzählt. Auch sein übriges Werk ist weitgehend beherrscht von humorvoller oder ironisch-grotesker Überspielung existentieller Sinnlosigkeit und Leere. Bekannt von ihm sind vor allem Der Flug des Ikarus, Die kleinen Geschäfte des Monsieur Brabbant, Mein Freund Pierrot, Ein strenger Winter sowie Zazie in der Metro. Den Roman Man ist immer zu gut zu den Frauen veröffentlichte er unter dem Pseudonym Sally Mara.

25. Februar Tennessee Williams 15. Todestag

* 26. 3. 1911 Columbus (Mississippi)

† 25. 2. 1983 New York

Tennessee Williams (eigentlich Thomas Lanier Williams) - amerikanischer Dramatiker. Bekannt wurde er mit dem Drama Die Glasmenagerie über die in Traumwelten und Lebensängsten gefangenen Mitglieder einer Südstaatenfamilie sowie mit Endstation Sehnsucht, dessen realistische Darstellung von neurotischem Zerfall und gewaltsamer Triebhaftigkeit Aufsehen erregte. In diesen sowie in zahlreichen weiteren, oftmals erfolgreich verfilmten Stücken gestaltete Williams das tragische Scheitern der Sehnsucht nach Glück, Liebe, menschlichem Kontakt und sinnlicher Erfüllung. Psychische Deformationen, familiäre Verstrickungen, Kommunikationsunfähigkeit, unterdrückte oder sich in Gewalt entladende Sexualität, Selbstzerstörung und Lebensuntüchtigkeit gelten ihm als unabwendbare Bedrohungen. Williams verfaßte auch Gedichte, Erzählungen, Romane und Essays. Bekannt sind auch Die Nacht des Leguan, Die tätowierte Rose, Die Katze auf dem heißen Blechdach, Mrs. Stone und ihr römischer Frühling und seine Memoiren.

26. Februar Hermann Lenz 85. Geburtstag

* 26. 2. 1913 Stuttgart

Hermann Lenz - deutscher Erzähler und Lyriker, lebt seit 1976 in München. Bekannt wurde er mit dem Roman Nachmittag einer Dame (1961). Kennzeichnend für sein stark autobiographisch bestimmtes Werk ist der Wunsch nach Bewahrung einer abgeklärten, leisen, inneren Welt. In den bisher sieben autobiographischen Romanen ist Lenz' literarisches Alter ego („das andere Ich“), der Schriftsteller Eugen Rapp, die aus unterschiedlichen Perspektiven geschilderte Hauptfigur: Verlassene Zimmer (1966), Andere Tage (1968), Neue Zeit (1975), Tagebuch vom Überleben und Leben (1978), Ein Fremdling (1983), Der Wanderer (1986) und Seltsamer Abschied (1988). Weitere Romane sind Der russische Regenbogen, Der Kutscher und der Wap.


© Edition Luisenstadt, 1998
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