Eine Belletristik-Annotation von Licita Geppert

Versetzt den Kerl zur Infanterie! Anekdoten von Friedrich II.

Gesammelt und herausgegeben von Walter Püschel.
Eulenspiegel Verlag, Berlin 1997 (1989), 144 S.

„Trieben die Herren Schriftsteller weniger Mißbrauch mit der so schönen Kunst, die Gedanken, die wir besitzen, drucken lassen zu können, dächten sie stets daran, daß jeder, der ein schlechtes Buch schreibt, nicht seinen Ruf begründet, sondern seine Narrheit verewigt, so erschienen nur solche Werke, die belehren oder gefallen. Und fürwahr: warum soll das Publikum seine Zeit vergeuden, nur weil ein Narr auf den Einfall gekommen ist, unter die Schriftsteller zu gehen und seine wunderlichen Ansichten zum besten zu geben?“ So schrieb der König an die Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha (S. 91) im 18. Jahrhundert. Wie würde Friedrich wohl den Kopf schütteln über die Flut von schriftlichen Ergüssen in der heutigen Zeit? Da kommt das Anekdotenbändchen über ihn selbst gerade recht. Oftmals sagen Anekdoten über eine Person mehr aus als lange, ausführliche Abhandlungen. Mit dieser Zusammenstellung ist Walter Püschel eine wunderbare Kurzbiographie gelungen, die die bekannten knorrigen Seiten von Friedrichs Charakter ebenso beleuchtet wie seine Sensibilität und die gleichzeitig noch einen kurzen Abriß der preußischen Geschichte darstellt (ein paar Datierungen wären allerdings hilfreich gewesen).

Keineswegs frei von einer gewissen Arroganz der Macht, versuchte Friedrich II. jedoch stets, bei seinen Entscheidungen, seien es nun die kleinen Anliegen seiner Untertanen oder große staatspolitische Vorgänge, gesunden Menschenverstand zu bewahren und gegebenenfalls mit machtpolitischem Kalkül in Einklang zu bringen. Sein Verantwortungsbewußtsein für Staat und Volk konnte ihn jedoch vor schwerwiegenden Irrtümern nicht bewahren, deren schlimmster wohl der Siebenjährige Krieg war. Darüber legen zahlreiche Überlieferungen Zeugnis ab. Manches Mal entschied er gegen den Rat seiner Feldherren und führte dadurch Niederlagen herbei, genausooft gewann er jedoch auch Schlachten durch militärisches Geschick. Oft genug mußten aber Soldaten den starrköpfigen Friedrich aus der Schußlinie zerren, um ihm das Leben zu retten.

Wie Szenen aus heutigen Komödien wirken seine verschiedentlichen Fluchtversuche aus dem Einflußbereich seines Vaters, trotz des letztlich tragischen Ausgangs durch die Erschießung seines besten Freundes von Katte. Sicherlich prägte dies den Charakter Friedrichs II. nachhaltig.

Chuzpe bewies der König, als er, mitten im Krieg auf einem Ausritt, des Schußwechsels um ihn her um ungeachtet, dem auf ihn zielenden feindlichen Soldaten krückstockschwingend entgegenritt: „Du, du! Wag er es nur!“ Worauf der Pandur sein Gewehr sinken ließ und strammstand, bis der König aus der Schußlinie war. (S. 77)

Mit diesem Anekdotenband ergänzt der Eulenspiegel Verlag das bereits 1987 bei ihm erschienene Buch Friedrich II. Wonach er sich zu richten hat. Urteile und Verfügungen aufs vernüglichste. Dankenswerterweise wurde aber in dem neueren Bändchen die Schreibweise des der deutschen Schriftsprache nur in geringem Maße mächtigen preußischen Königs heutigen Gewohnheiten behutsam angepaßt, so daß ihre Absonderlichkeiten zwar erkennbar bleiben, dem Leser aber das Verständnis erleichtert wird.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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