Eine Sachbuch-Annotation von Berd Heimberger

Ladendorf, Heinz: Andreas Schlüter
Baumeister und Bildhauer des preußischen Barock.

Nachwort Helmut Börsch-Supan.
E. A. Seemann, Leipzig 1997, 160 S.

Komme keiner und sage, von den Schrecken des Krieges wußten deutsche Künstler nichts, als sie 1914 in Scharen an die Front strömten. Von Schlüter bis Menzel waren die Grauen des Krieges bildkünstlerisch Gestalt geworden. Warnung, Abschreckung waren sie nicht. Wer achtsam die Berliner Linden absolviert, kann nicht vergessen, was er gesehen hat. Er wird die „Kriegsköpfe" des Zeughaushofes nie wieder aus dem Kopf bekommen. Sie sind die Summe aller Schrecken, Schmerzen, Scheußlichkeiten des Krieges. Jedes Gesicht zeigt Züge der zerstörerischen Gewalt. Die nur verneinen kann, wer die Gewalt kennt? Wieviel Gewalt hat Andreas Schlüter gesehen, um alle Nuancen menschlicher Leiden in seinen Sandsteinskulpturen sichtbar zu machen? Kunstwissenschaftlicher Sachverstand kann davon sprechen, daß der „kriegerisch grausame Stoff ... in einem heroischen Zyklus ohne Beispiel“ gemeistert wurde. So Heinz Ladendorf (1909-1992) in einer Schlüter-Schrift von 1937 (!), die Helmut Börsch-Supan für den Schlüter-Band aufbereitete. Manche Passage muß befremden und ist unvergänglich, wie das Werk des Betrachteten unvergänglich ist.

Schlüter ist einer der bedeutendsten unbekannten deutschen Bildhauer. Unbekannt ist sein Geburtsjahr. Vergessen ist seine Grabstätte in St. Petersburg, wo er 1714 bestattet wurde. Es gibt kein Bildnis seiner Person. Kaum ein Selbstzeugnis. Viele seiner Berliner Werke liquidierte der Zweite Weltkrieg. Wenige erhaltene, restaurierte, rekonstruierte Werke sichern den Nachruhm. Die Beachtung und Achtung gebührt dem realistischsten Bildhauer und Baumeister des deutschen Barocks. Die nachgereichte Publikation lädt zu einem Spaziergang durch das untergegangene Berlin ein. Selbst im Falle der Wiederherstellung der Schloßfassade wird es nie mehr ein Schlütersches Berlin sein. Es bleibt das Schinkelsche Berlin plus Moderne. Andreas Schlüters Werk gehört zu den Kostbarkeiten der Baukunst in Berlin.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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