Eine Rezension von Wolfgang Buth

 

Alle Jahre wieder ...

Reclams Literatur-Kalender 1998 XLIV. Jahrgang.

Kalendarium und Autorenporträts von Dietmar Jaegle und Richard Müller-Schmitt.
Philipp Reclam jun., Stuttgart 1997, 128 S.

 

... erscheint Reclams Literatur-Kalender für alle, die sich für Literatur interessieren und gern lesen. Und nun schon zum 44. Mal - für das Jahr 1998!

Im ersten Teil werden die Geburts- und Gedenktage 1998 chronologisch (nach Monaten und Tagen), die Art des Tages sowie der Geburtstag und -ort und (bei Verstorbenen) auch Sterbetag und -ort des jeweiligen Schriftstellers aufgeführt. Dieser Teil ist somit äußerst hilfreich für alle, die bestimmte literarische Persönlichkeiten aus bestimmten Anlässen würdigen wollen. Aber auch dem „normalen“ Leser und dem Literaturinteressierten ist das schmale, handliche Bändchen im Format von Reclams Universal-Bibliothek zum Preis von 3,- DM nur zu empfehlen.

Beispiele für den Monat Januar sind Sándor Petöfi (175. Geburtstag), Jaroslav Hašek (75.Todestag), Kurt Schwitters (50.Todestag), Simone de Beauvoir (90. Geburtstag), Wilhelm Busch (90. Todestag), Katherine Mansfield (75. Todestag), Thomas Hardy (70. Todestag), Lewis Carroll (100. Todestag), Kôbô Abe (5. Todestag), Sidonie-Gabrielle Colette (125. Geburtstag) und Robert Frost (35. Todestag).

Nach der chronologischen Nennung werden im zweiten Teil aus der Vielzahl der aufgeführten Schriftsteller einige Größen der Literaturgeschichte vorgestellt; der Leser wird praktisch zu einer literarischen Entdeckungsreise eingeladen. Diese Porträts in Form eines Kurzessays und mit einem Bild des Dichters sind auf den knapp drei Seiten wahre Meisterwerke: kurz und prägnant - auf das Wesentliche konzentriert - werden Leben und Werk dargestellt, man spürt die Liebe der beiden Verfasser zur Literatur und zu den Autoren. Vollständigkeit kann auf so kleinem Raum natürlich nicht erwartet werden! Wer etwas zu vermissen glaubt bei der Vorstellung von Leben und Werk, der wird angeregt, sich mit dem Schriftsteller intensiver zu beschäftigen, d. h. ihn zu l e s e n !

Danach folgen Auszüge aus einem wichtigen bzw. typischen (charakteristischen) oder aus d e m Werk des Schriftstellers sowie bibliographische Hinweise (diese allerdings nur zu Veröffentlichungen im Reclam Verlag, insbesondere Reclams Universal-Bibliothek).

Im Hauptteil werden auf diese Weise u. a. ausführlich vorgestellt: Giacomo Casanova (200.Todestag), Emily Brontë (150.Todestag), Conrad Ferdinand Meyer (100.Todestag), Wilhelm Busch (90.Todestag), Thomas Hardy (70.Todestag), Bertold Brecht (100.Geburtstag), Federico García Lorca (100.Geburtstag), sowie Theodor Fontane (100.Todestag).

Zu Theodor Fontane kann man folgendes lesen:

„Wanderrock und Hut hat er neben sich gelegt, der stattliche Herr im weiten Reisemantel, der gelassen, doch aufmerksam schauend auf der Steinbank ausruht, Stift und Notizbuch in den Händen. So zeigt den Dichter das Denkmal im brandenburgischen Neuruppin, wo er (am vorletzten Tag des Jahres 1819) zur Welt kam. Theodor Fontane ist viel gereist und gewandert, er hat geschaut und gelauscht und aufgeschrieben.“ So heiter und beschwingt beginnt der Abschnitt! Wir erfahren einiges aus seiner Zeit als Apothekerlehrling und als Mitglied eines Berliner Literatenvereins und lernen seine ersten literarischen Versuche kennen. Eine Reise nach Schottland regte ihn an, auch seine märkische Heimat zu beschreiben; es entstanden die Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Mit Sieben-Meilen-Stiefeln müssen die Autoren von den Wanderungen zu den Romanen und Erzählungen eilen - von Vor dem Sturmh (1878) bis zu Der Stechlin (1897). „Fontane läßt zumeist Einzelne gegen die Forderungen der Gesellschaft, gegen Konvention und Herkommen stoßen, verstoßen und scheitern.“ Als Beispiele führen die Autoren die Lene in Irrungen, Wirrungen (1888), den jungen Grafen in Stine (1890) oder die junge Effi Briest (1895) an; Fontane sieht und beschreibt, er „versteht beide Seiten in ihren Beweggründen, in ihrer ,Wahrheit‘, er vermag beide nachvollziehbar darzustellen“.

Nach diesem Kurzessay folgt ein Auszug aus einem wichtigen, für den Dichter typischen Werk. Die Verfasser des Kalenders wählten einen Ausschnitt aus dem Roman Frau Jenny Treibel oder: Wo sich Herz und Herzen find't.

An diese literarische „Kostprobe“ schließen sich bibliographische Notizen an, Hinweise auf das Reclam-Programm. Wir erfahren, welche Werke von Theodor Fontane in der Universal-Bibliothek (UB) erhältlich sind, aber auch, welche neueren Publikationen über Fontane erschienen sind.

Reclams Literatur-Kalender 1998 stellt außer den „Jubilaren“ auch solche Dichter oder Dichtungen vor, die bei Reclam 1997/98 neu erschienen oder erscheinen. Das sind in diesem kleinen literarischen Almanach u. a. Marcus Tullius Cicero, die Jüngere Edda, August Stramm und Hans Blumenberg. Auch hier wird der Leser mit Leben und Werk vertraut gemacht und kann einen literarischen Auszug lesen. Wer dadurch angeregt wird, das gesamte Werk zu lesen, dem helfen die bibliographischen Hinweise.

Neu in diesem Jahr ist ein Rätsel, „der Rätsel-Jubilar“, dessen Lösung nicht ganz einfach ist. Das verrät Ihnen der Rezensent, der Reclams Literatur-Kalender 1998 mit großem Interesse und Vergnügen gelesen hat.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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