Eine Rezension von Ursula Reinhold

 

Elisabeth Hauptmann als Mitarbeiterin Brechts

Sabine Kebir: Ich fragte nicht nach meinem Anteil
Elisabeth Hauptmanns Arbeit mit Bertolt Brecht.

Aufbau-Verlag, Berlin 1997, 292 S.

 

Die Autorin nimmt die besonders in der amerikanischen Germanistik vorhandenen Vorurteile gegenüber der Autorenschaft und dem Manne Brecht zum Ausgangspunkt, um in einer sachlichen Darstellung die Beziehungen zwischen Brecht und Elisabeth Hauptmann, einer seiner Mitarbeiterinnen, darzustellen. Sie läßt dabei die Umrisse einer Biographie von Elisabeth Hauptmann (1897-1973) entstehen, deren Weg sie seit deren Übersiedlung nach Berlin zu Beginn der 20er Jahre, über Emigration und Rückkehr bis zu ihrem Tode nachzeichnet. Die produktive Arbeitsbeziehung und emotionale Bindung an Brecht wird dabei zum Leitfaden ihrer biographischen Darstellung, sie zeichnet den geistigen Horizont dieser Arbeitsbeziehung, die Verpflichtung an die gemeinsame Sache revolutionärer Weltveränderung, die wechselnden Modalitäten und Krisen der Beziehung sowie die Befindlichkeiten der Hauptmann nach. Dabei erörtert sie Probleme kollektiver geistiger Arbeit, abseits von kleinkariertem Moralismus, entdeckt sie als Produktionsweise eines sozialisierten, auf Austausch, Wirkung und Ausnutzung moderner Medien bedachten zeitgenössischen Autors. Sie stellt Hauptmanns Mitarbeit als gewollte Entscheidung zu einem auch lustvollen Arbeitsbündnis dar, das natürlich nicht lösgelöst von den generell eingeschränkten Entfaltungsmöglichkeiten intellektueller Frauen im 20. Jahrhundert gedacht werden kann. Zwar stellt sie die Frage, ob die Hauptmann ohne die Beziehung zu Brecht stärker zur eigenen literarischen Tätigkeit gekommen wäre, ohne eine solche Frage beantworten zu können. Zu einer Beantwortung könnte eine stärker literaturwissenschaftlich orientierte Behandlung des Themas beitragen, die durch Analyse eine Vorstellung vom literarischen Gewicht Hauptmannscher Texte erbringen müßte. So wäre zu entscheiden, ob durch die Zusammenarbeit mit Brecht ein aus weiblichem Blickwinkel erfolgter literarischer Beitrag ungeschrieben blieb. Insgesamt ist eine interessante und in einigen Fragen aufschlußreiche Darstellung gelungen, obwohl man sich die Problematik kollektiver Produktion im Lichte des Urheberrechts vertieft oder mehr Auskünfte über die Rolle der Hauptmann innerhalb des Kreises der Brecht-Mitarbeiterinnen gewünscht hätte. Das Buch enthält auskunftsfreudige Anmerkungen, umfaßt in einem Anhang die Lebensdaten der Hauptmann und dokumentiert deren eigene und die erwähnten Werke Brechts bibliographisch. Die Darstellung ist auf die literarische Sozialisation und das Frauenleben der Hauptmann konzentriert. Im Mittelpunkt steht deren Beziehung zu Brecht. Die Autorin stellt sie in diesem Verhältnis und zu anderen Männern als Pionierin der freien Liebe vor, geht Wirklichkeit und Fiktion eines solchen Lebens nach, stößt auf schmerzvolle Seiten. Als Hauptquelle für die sachliche und intime Beziehung zu Brecht nutzt sie die Selbstaussagen der Hauptmann; neben dem Tagebuch von 1926 sind das Tonbandgespräche von 1972, die, kurz vor ihrem Tode, für den DEFA-Dokumentarfilm „Die Mit- Arbeiterin“ angefertigt wurden.

Elisabeth Hauptmann hatte 1922 ihren Lehrerinnenberuf aufgegeben und war nach Berlin übergesiedelt, als sie 1924 die Zusammenarbeit mit Brecht begann. Kurz zuvor war sie schon als Sekretärin des Architekten Paul Zucker und des Schriftstellers H. G. Scheffauer tätig. Seit 1925 arbeitet sie an der Fertigstellung von Mann ist Mann und an der Taschenpostille mit, erstellt Dokumentationen, übersetzt für Brecht Beggars Opera und ist so am Welterfolg der Dreigroschenoper beteiligt. Neben dieser Mitarbeit schrieb sie eigene Magazingeschichten, Rundfunkfeatures. Auf Anregungen Brechts schreibt sie das Szenario von Happy End, entdeckt das japanische No-Theater, aus dem Brecht wichtige Anregungen für die Lehrstücke entnimmt, an denen sie ebenfalls mitarbeitet. Der Jasager beruht auf ihrer Übersetzung. 1929 bereitet sie die Herausgabe der Versuche Brechts vor und arbeitet 1931 an Die heilige Johanna der Schlachthöfe, an Die Mutterund Die Rundköpfe und die Spitzköpfe mit. Die Autorin beschreibt diese Zeit der Zusammenarbeit als produktive Phase gegenseitigen Gebens und Nehmens und zeichnet die Befindlichkeiten und Krisen der Hauptmann aus ihrem erstmals veröffentlichten Tagebuch nach. Das Jahr 1933 beendet abrupt diese Zusammenarbeit. Nach kurzzeitiger Verhaftung und Hausdurchsuchung flüchtet die Hauptmann über Paris in die USA, wo es ihr als unbekannter Emigrantin nur mit Hilfe anderer gelingt, langsam Fuß zu fassen. Auch von hier aus versucht sie an Brechts Arbeiten aus der Ferne teilzunehmen, unterstützt die Aufführung des Dramas Die Mutter im Jahre 1935 in New York. Über diese Bemühungen gibt vor allem auch ihr Briefwechsel mit Walter Benjamin Aufschluß. Ab 1940 amerikanische Staatsbürgerin, bereitet sie Brechts Einreise samt Familie in die USA vor. Es erneuert sich die Zusammenarbeit unter neuen Voraussetzungen. Zwischen 1946 und 1948 korrigiert und überwacht sie amerikanische Übersetzungen zu Brechts Werk und folgt ihm 1948/49 nach Berlin. Bis 1954 arbeitet sie als Dramaturgin bei der DEFA, als freie Schriftstellerin und Übersetzerin. Danach ist sie als Dramaturgin am Berliner Ensemble tätig, ist an der Aufführung von Don Juan und Pauken und Trompeten beteiligt. Von 1958 bis 1967 leitet sie die Herausgabe der Gesammelten Werke im Suhrkamp Verlag, die als Gemeinschaftsunternehmen mit dem Aufbau-Verlag angelegt war. Die Herausgebertätigkeit verlangt nicht nur eine schwierige Balance in der stets von politischen Spannungen und Wechselfällen bestimmten deutsch-deutschen Beziehung, sie nötigt auch zu opportunistischem Zugeständnis an real-sozialistische Kulturpolitik und erfordert nicht zuletzt das stets neu zu suchende Übereinkommen mit der Familie Brechts. Diese schwierige Editionstätigkeit ließ keinen Raum mehr für eigene literarische Arbeiten.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite