Rezension

 

Wer wischt schon hinter Gott auf?

F. Paul Wilson: Die Prüfung

Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner.
Goldmann Verlag, München 1996, 411 S.

Ingraham ist die exklusivste medizinische Hochschule der USA, die außerdem über Weltruf verfügt. Hier lehren die besten Wissenschaftler des Landes. In jedem Jahr werden 50 neue Studenten aufgenommen, und zwar nur die Besten der USA. Wer hier die äußerst komplizierte und schwierige Aufnahmeprüfung besteht, gehört zur „ Creme de la creme“, zu den Besten der Besten. Um seine Karriere braucht man sich dann keine Sorgen mehr zu machen. Ihnen ist in den USA, aber auch im Ausland nach Abschluß des Studiums jederzeit eine Stelle sicher.

Die 21jährige, ehrgeizige und auffallend hübsche Farmerstochter Quinni Cleary besteht dort die Prüfung - und glaubt nunmehr am Ziel aller ihrer Träume zu sein. Aber sie wird bitter enttäuscht.

Denn Ingraham hat eine äußerst düstere Seite. Viele Geheimnisse, die kein Außenstehender wahrnimmt, verbergen sich hinter den abgeschotteten Mauern des Instituts. Auch Quinni bemerkt zunächst nichts. Doch dann fällt ihr zusammen mit ihrem Freund Tim Brown auf, daß die Hochschule total abgeschirmt ist, die Studentenzimmer verwanzt sind und selbst die intimsten Begegnungen aufgezeichnet werden. Und alle Studenten werden im Interesse und auf Weisung des Lehrkörpers einer Gehirnwäsche unterzogen. Schließlich werden beide Zeugen, daß Leichen seziert und ihnen Organe entnommen werden, obwohl von den Verwandten keine Vollmachten vorlagen. Patienten werden mit noch nicht genehmigten Medikamenten behandelt, ihnen werden bewußt Wunden zugefügt, und sie müssen sich seltsamen Experimenten unterziehen. Für all das finden diese Studenten auch Beweise.

Als sie einen der leitenden Ärzte daraufhin ansprechen und meinten, auch Ärzte dürften nicht Gott spielen, sagt dieser nur lakonisch: „Das nenne ich nicht Gott spielen. Man könnte meinen, wir wischen hinter ihm auf.“

Aber das ist noch nicht alles: Die beiden kommen dahinter, daß es ein Komplott von angesehenen Ärzten, von Pharmazievertretern, von hochgestellten Politikern, von CIA-Agenten gibt, die nur eines eint - viel Geld zu verdienen, und das nicht nur in den USA, sondern vor allen Dingen auch im Ausland. Und dazu ist ihnen jedes Mittel an dieser angesehenen Einrichtung recht.

Als die Hochschulleitung erfährt, was Quinni und Tim alles wissen, wird ein feingewobenes Netz von Intrigen, Drohungen und Gewalt um die beiden gesponnen, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt. Sie geraten in todesbedrohliche Situationen und finden nur mühsam Hilfe von außen. Fast wäre es ihnen wie einigen anderen Studenten an dieser Hochschule ergangen, die eines Tages auf ganz seltsame Weise spurlos verschwunden waren. Hinterlist und Gewalt kommen aus einer Richtung, mit der keiner gerechnet hat.

F. Paul Wilson hat mit Die Prüfung einen sehr interessanten Kriminalroman vorgelegt. Er ist spannend bis zum Schluß. Er besticht vor allen Dingen durch die Verknüpfung von Politik, Medizin, Pharmaindustrie, Hochschule und Geheimdienst, aber auch durch die nachzuempfindende Charakterisierung der handelndenden Personen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten.

Der Autor, geboren und aufgewachsen in New Jersey, ist gelernter Mediziner. Seine Kenntnisse auf diesem Gebiet, wenngleich für den Laien teilweise etwas zu kompliziert dargestellt, bilden dennoch einen sachlichen und gut lesbaren Hintergrund.

Er ist preisgekrönter Autor mehrerer Romane und einer Sammlung von Kurzgeschichten.

Bert Besam


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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