Rezension

 

Betroffen und befangen

Lea Rabin: Ich gehe weiter auf seinem Weg
Erinnerungen an Jitzchak Rabin.

Droemer Knaur, München 1997, 443 S.

 

Das ist nicht irgend eine Biographie! Das ist die Biographie der Lea Rabin. Die Biographie des Jitzchak Rabin. Die Biographie Israels. Das ist eine Biographie der Befangenheit und Betroffenheit. Der schönsten und verständlichsten Befangenheit und Betroffenheit. Die Verfasserin des Erinnerungs-Buches Ich gehe weiter auf seinem Weg verleugnet ihre Befangenheit und Betroffenheit nie. Nicht als Frau. Nicht als Patriotin. Nicht als Jüdin. Nicht als Israelitin. Als Befangene und Betroffene überschaut die gebürtige Königsbergerin ihren Lebenslauf. Den einer Jüdin in Palästina. Einer Kämpferin für Israel. Einer Patriotin in Israel. Den der Frau des Ministerpräsidenten, der am 4. November 1995 von einem Landsmann ermordet wurde. Jitzchak Rabin war auf dem Wege zum Frieden in Nahost, auf dem Wege ins Alter, das ihm vermutlich das Amt des Präsidenten beschert hätte.

War Rabin ein Idol? Er war's! Für das Land. Für Lea Rabin ohnehin. Für Lea war Jitzchak auch der ideale Mensch. Obwohl er keine Bereitschaft zeigte, im Haushalt zu helfen und der unerträglichste Beifahrer war. In der Trauer schwächt Lea Rabin die Schwächen ihres Mannes ab. Sie idealisiert. Sie idolisiert. Das ist ihr gutes Recht. Was sie einmal war, „mit Sicherheit eine strenge Kritikerin“, muß sie nicht mehr sein. Ihr Auftrag ist jetzt, einen Menschen zu würdigen, dessen Lebensleistung identisch ist mit der Geschichte des Staates Israel. Mit der Geschichte immer neuer Kämpfe und nicht endender „Folgen an Tragödien“. Die Kämpferin will nicht in dem Moment kleinmütig sein, in dem sie Teil der Tragödie ist. Für die Soldatin Lea Rabin ist der Soldat Jitzchak Rabin im Kampf gestorben. Im Kampf für den Frieden. Im gerechten gegen den ungerechten Krieg. Die Witwe ist überzeugt, „daß Jitzchak einer Verschwörung zum Opfer fiel“. In seiner Sterbestunde war er „so gelöst und glücklich“ wie selten in seinem Leben als Soldat und Politiker. Jitzchak Rabin war außergewöhnlich erfolgreich, weil er als soldatischer Politiker und politischer Soldat handelte. Frei von der verführenden Eitelkeit der Macht, nutzte er souverän die Möglichkeiten der Macht. Die und andere Schlußfolgerungen müssen die Leser selbst ziehen. Die Textsammlung von Lea Rabin, die viele Helfer hatte, ist eine Collage von Geschichten zur Geschichte der Familie Rabin, des Staates Israel, der Weltpolitik des letzten Halbjahrhunderts. Hatte Hollywood wirklich nicht seine regieführende Hand mit im Spiel bei der Entstehung des Erinnerungsbuches? Dann kann Hollywood jetzt seine Hand draufhalten. Wundern wir uns nicht, wenn es heißt: Demnächst in Ihrem ...!

Bernd Heimberger


© Edition Luisenstadt, 1998
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