Annotation

Geiger, Manfred/Steinert, Erika:

Unter Mitarbeit von Carola Schweizer.

Alleinstehende Frauen ohne Wohnung

Soziale Hintergründe, Lebensmilieus, Bewältigungsstrategien, Hilfeangebote.

Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart Berlin Köln 1997, 403 S.

Wohnungslos zu sein, gilt hauptsächlich als ein Männerphänomen. Aber wer sich genau umsieht in den Großstädten, muß zur Kenntnis nehmen, daß auch Frauen davon nicht verschont sind. Nur scheint's, verstehen sie es oftmals besser, ihre Situation zu verbergen. Doch Frauen sind in deutlich stärkerem Maße mittellos und von Wohnungslosigkeit betroffen oder bedroht, als bisher vermutet worden ist. Mehr als 15 Prozent der alleinstehenden Wohnungslosen sind weiblich. Und der Anteil wächst. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die vom Bundesfrauenministerium initiiert wurde, um auf dieses soziale Problem aufmerksam zu machen.

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden 48 Interviews mit wohnungslosen Frauen geführt, nahezu 100 Gespräche mit Betreuern in Hilfeeinrichtungen, Dienststellen der Polizei und privaten Wachdiensten. Die Autoren der Studie fassen den Begriff Wohnungslosigkeit sehr weit. Sie differenzieren zwischen manifester und latenter Wohnungslosigkeit. Während die erste Form vor allem in den Städten vom Kontroll- und Hilfssystem wahrgenommen wird, findet latente Wohnungslosigkeit in der öffentlichkeit kaum Beachtung. Die übergänge sind fließend. Im ländlichen Bereich zum Beispiel führen soziale Ausgrenzung und fehlende Hilfeangebote dazu, daß Wohnungsnot von Frauen überhaupt nicht wahrgenommen wird. Ehe ihre Situation auffällig wird, haben die Betroffenen meist schon den Ort verlassen.

Das Risiko, obdachlos zu werden, wächst, da der Wohnungsmarkt dem steigenden Bedarf an preisgünstigen Kleinwohnungen nicht gerecht wird.

Ausführlich versucht die Studie, Ursachen und Wege in die Wohnungslosigkeit aufzuzeichnen. Als spezieller Risikofaktor wird eine spezifische Armut in den Altersgruppen der jungen und alten Frauen genannt. Benachteiligungen auf dem Erwerbsmarkt und im Ausbildungssystem, ungeschützte Beschäftigungs- und Wohnverhältnisse (z. B. Unterkünfte in Frauenhäusern, illegal besetzten Häusern, Wohnheimen) sind weitere Gründe.

Es ist verdienstvoll, im Rahmen dieses Forschungsprojektes auf dieses soziale Problem und sein Bedingungsgefüge, das von der Gesellschaft gern unter dem Teppich gehalten wird, aufmerksam zu machen. Nur in der gegenwärtigen Situation knapper Kassen und eines rigiden Sparkurses im sozialen Bereich fällt es schwer, an sinnvolle Möglichkeiten und Perspektiven zu glauben. Zuzustimmen ist den Autoren, daß nicht nur Sozialarbeit gefordert sein kann, die schlimmsten Notlagen der Klienten abzuwenden, auch politische Interventionen sind unabdingbar, wenn das Hilfesystem nicht hilflos bleiben soll.

Gudrun Schmidt


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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