Annotation

Behrend, Tanja/Behrend, Georg:

Alles im Griff

Amtsdeutsch, Neudeutsch, Treudeutsch.

Eulenspiegel Verlag, Berlin 1996, 127 S.

Was tun, wenn ein Fragebogen ins Haus kommt mit intimen Fragen wie „Wurden Ihnen innerhalb der letzten 12 Monate eine oder mehrere Zehen amputiert?“ oder „Wurde Ihnen in den letzten 12 Monaten ein Bein amputiert (oberhalb des Knöchels)?“ Wer an dieser Umfrageaktion des Diabetiker-Bundes teilnahm, ist bei der Antwort sicher in Verlegenheit gekommen. Es sei denn, er hat sich, statt eindeutig mit „ja“ oder „nein“ zu antworten, für die dritte vorgegebene Alternative entschieden und im Formular das Kästchen „weiß nicht“ angekreuzt. Solche Delikatessen in Anträgen, Werbeprospekten, Zeitungsberichten, Büchern, Reden, Katalogen, Anzeigen, Behördenbriefen, an Häuserwänden, Hinweisschildern haben Tanja und Georg Behrend gesammelt und zu einem launigen Bändchen zusammengestellt. Jahrelange Erfahrungen als „Eulenspiegel“-Journalisten schärften ihren kritischen Blick. Der war hier aber gar nicht so sehr vonnöten, denn die Realität liefert Stilblüten und Kuriositäten ohne Ende.

Von Liebe und Erotik, über Polizei, Justiz, Wirtschaft und Management bis zu Grüßen aus dem Jenseits nehmen die Autoren alles aufs Korn, was amtsdeutsch, neudeutsch, treudeutsch oder kurz gesagt als Blödsinn und Sprachverstümmelung daherkommt. Dem Blumengeschäft ist Erfolg zu wünschen für das Stellenangebot: „Laufjunge gesucht, nur mit Mofa.“ Gute Berufsaussichten dürfte auch ein Jurist haben, zu dessen größten fachlichen Herausforderungen „der Behördenaufbau in Erfurt, die überprüfung der Staatsanwälte und später der Raub der Cranach-Bilder aus dem Stadtschloß in Weimar“ zählten. Was noch kein Reisebüro geschafft hat, gelang der „Lausitzer Rundschau“ mühelos mit der überschrift: „Die Floridareise ging nach Bad Muskau“. Und dank „ND“ wissen wir nun auch, was zu linker Soli-Festkultur gehört: „polnische Gartenzwerge, türkische Unterwäsche und vietnamesische Spezialitäten, darunter auch Spreewaldgurken ...“ Damit es nicht nur bei der puren Wiedergabe bleibt, setzen die Autoren mit witzigen Kommentaren noch eins drauf. Solch erhellende Aufklärung wäre kaum notwendig gewesen. Die Beispiele sind erheiternd genug. Und sie entstammen keiner längst vergangenen Wirklichkeit. Fortsetzungen werden sicher folgen. Mit und ohne Rechtschreibreform.

Gudrun Schmidt


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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