Eine Annotation von Kathrin Cod
Henschel, Gerhard:
Menschlich viel Fieses
Stasis, Donalds Dichter und Pastoren.
Edition Tiamat, Berlin 1992, 111 S.

Gerhard Henschel ist richtig sauer. Wie idiotisch muß ein Geheimdienst sein, daß er es schafft, „Produzenten epigonaler literarischer Kurzwaren“ quasi in den Heiligenstand zu erheben?

Wäre die Stasi nicht gewesen, nie müßte er sich mit Lutz Rathenow und seinen bedeutungsschweren Gedichten wie „Der Himmel ist nicht tot. Er stirbt“ herumschlagen. Noch mehr gefällig? „Herzweh schmilzt wie Kübelschnee“ oder „Wipp, wupp - bald macht die Erde / Hulla-Hupp“ oder „Taten tuten vielzersprechend“. Verständlich, daß Herr Henschel angesichts dessen meint: „Wie es angehen konnte, daß konventionell scharf bewaffnete Diktatoren des Proletariats diesen Tinnef als existentielle Bedrohung empfanden, weiß keiner.“

Neben verfolgten DDR-Oppositionellen sind dem Autor vor allem die Produzenten „larmoyanter Betroffenheitsfloskeln“ (Trauerarbeit, Glaubwürdigkeitskrise ...) ausgeliefert.

Man ertappt sich selbst dabei, so manchen Hohlsatz unkritisch geschluckt zu haben, kam er nur aus berufenem Munde.

Dieter Lattmann: „Wir brauchen die Zuneigung der Regierten zu sich selbst, denn zur politischen Kultur gehört auch Sympathie und Wärme.“ Stefan Heym: „Denn bestehen wird nur ein Staat, der glaubwürdig ist, mit einer Regierung, der man vertraut; jeder andere, besonders hier in Deutschland, würde zugrunde gehen, unweigerlich.“ Hier fügt Herr Henschel bissig an: „Was Stefan Heym dazu veranlaßt, anzunehmen, daß gerade in Deutschland die Glaubwürdigkeit des Staatsapparates eine essentielle Voraussetzung seiner Haltbarkeit darstelle, wäre noch gesondert zu untersuchen.“ Wolfgang Thierse gibt die Auskunft: „Trauerarbeit und öffnendes Gespräch tut not“ und vor allem wohl und keinem weh, setzt Henschel nach.

Zu einer Seligpreisung in St. Nikolai in Leipzig hieß es: „Selig sind die sanft Mutigen. Sie werden das Land besitzen.“ „Die sanft mutigen Makler haben es nicht überhört“, kommentiert der Autor.

Nachdem man ordentlich abgelacht hat über so viel gesammelten neusprachlichen Müll, der ganz hübsch montiert, mit zynischen und gehässigen Bemerkungen gewürzt wurde, bleibt die Frage: Was will uns der Autor damit sagen ... außer seine Opfer einzuseifen und für gerechtere Kaffeepreise zu plädieren. Das wird aus dem Bändchen nicht ersichtlich. Schließlich muß sich der Leser damit zufriedengeben, daß Herr Henschel „aus prinzipiellen Erwägungen heraus einfach wieder einmal dazwischenquatschen wollte, wenn sich die Erwachsenen unterhalten“. Und der ergreifende Schlußsatz: „Mir macht das Spaß; ich kann mir nicht helfen.“ Na prima!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 05/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

zurück zur vorherigen Seite