Eine Annotation von Eberhard Fromm
Hildebrandt, Bernd u. a.
Den eigenen Tod sterben
Wichern-Verlag, Berlin 1996, 104 S.

In dieser von der Evangelischen Forschungsakademie Berlin in der Schriftenreihe „Erkenntnis und Glaube“ herausgegebenen Aufsatzsammlung sind fünf Vorträge enthalten, die auf zwei Tagungen 1994 bzw. 1995 zum Problemfeld des Todes gehalten wurden. Hat man bei dem einführenden Artikel von Detlev von Uslar („Das Unvorhersehbare im menschlichen Leben - Die Offenheit der Zukunft“) noch einige Schwierigkeiten, seine philosophisch-psychologischen Deutungen einer offenen Zukunft mit dem eigentlichen Thema zu verbinden, so bilden die nachfolgenden Aufsätze zu medizinischen, rechtlichen und theologischen Problemen von Sterben und Tod eine interessante Standortbestimmung verschiedener Autoren und Disziplinen. Sehr einfühlsam und persönlich geht der Mediziner und Psychoanalytiker Rainer Schmidt der Frage nach, welches Recht auf den eigenen Tod wir in anthropologischer Sicht haben. Er bedauert die „Entindividualisierung des Todes“ in unserer Zeit und die fehlende Ehrfurcht vor dem Tod. Seine Überlegungen und Beispiele gelten dem eigenen Tod jedes Menschen und der „Freiheit zum eigenen Tod“. Der Jurist Hans-Ludwig Schreiber gibt seinem Aufsatz den eindeutigen Titel „Sterbenlassen ja - Töten nein“. Er setzt sich mit den Möglichkeiten einer aktiven, indirekten und passiven Sterbehilfe sowie der Beihilfe zur Selbsttötung und der jeweiligen Rechtslage auseinander. Er plädiert für die Aufrechterhaltung eines Verbots der aktiven direkten Sterbehilfe und setzt sich dafür ein, ein menschwürdiges Sterben mit den Mitteln der indirekten und passiven Sterbehilfe zu unterstützen. Besonders hervorhebenswert erscheint die Feststellung, daß der Ruf nach aktiver Sterbehilfe etwas mit dem Verdrängen von Sterben und Tod aus der Gesellschaft zu tun hat: „Man befreit sich durch den Ruf nach der das Leben beendenden Spritze von den Problemen der Gegenwart des Sterbens.“ (S. 70)

Die Theologen Bernd Hildebrandt und Ludwig Wächter befragen „Sterben und Tod im Alten Testament“ bzw. „Die theologische Deutung des menschlichen Todes“. Wächters Beitrag lebt von den verschiedenen Belegen aus dem Alten Testament. Man merkt, daß der Autor dazu bereits vor längerer Zeit eine umfängliche Untersuchung (Der Tod im Alten Testament, 1967) vorgelegt hat. Hildebrandt geht, wie auch andere Autoren des Bandes, von der heute vorherrschenden Verdrängung des Todes aus, die er unter anderem damit erklärt, daß sich die Passivität des Todes nicht mit einer rein an Leistung, Selbstverwirklichung und Lebenssteigerung orientierten Gesellschaft vertrage. Als die drei bedeutsamen Aspekte der theologischen Deutung des Todes benennt er den Tod als natürliche Befristung, den Tod als der Sünde Sold und den Tod als Heimgang zu Gott.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 05/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

zurück zur vorherigen Seite