Marx, Engels, Lenin sind auf den Rücktitel verbannt, werden aber im Inneren noch gelegentlich herangezogen, um Heutiges zu erklären, was durchaus zum Neulesen dieser Klassiker animiert. Vorn drauf präsentieren sich - in bekannter Medaillonform - Kohl, Waigel und Herzog als neues Dreigespann. In äußerer Form und methodischem Aufbau ist das Büchlein den Anleitungen zum einstigen SED-Parteilehrjahr nachempfunden. Und als satirisches Pendant zu diesem sind die Studien- und Seminarhinweise für Teilnehmer und Lektoren am Anpassungsfortbildungskurs ‚Innere deutsche Einheit‘ offenbar auch gedacht. Im Unterschied zu den von der SED-Propaganda-Abteilung herausgegebenen Broschüren, die mit zunehmender Verkrustung der Partei- und Staatsführung immer phrasenhafter und nichtssagender wurden, liest sich das Werk Thomas Heubners, eines studierten Historikers, der - wie uns der Verlag mitteilt - seinerzeit seinen Praxistest als ML-Lehrer nicht bestand, durchaus anregend und vergnüglich. Erfreulich pluralistisch schon die Literaturhinweise. Sie reichen von der Bibel über Lichtenberg und Machiavelli bis zu heutigen Politikern und Kabarettisten. Die zehn Themen des Anpassungskurses beginnen mit Die Zeit, in der wir leben, und enden mit den Sieben Tugenden des Bundesbürgers. Die soziale Marktwirtschaft wird ebenso abgehandelt wie die Frage, von wem die Staatsgewalt aus- und wo sie hingeht. Auch das Kapitel Die Partei hat immer recht! findet sich. Überhaupt beweist Heubner, daß solche aus der DDR-Politsprache bekannten Begriffe wie führende Rolle, historische Mission, Charakter der Epoche usw. sich zutreffend mit neuem Inhalt erfüllen und mit heutiger Orientierung nützlichen Fakten untersetzen lassen. Das Ganze steht sozusagen im Zeichen von Kontinuität und Erneuerung und wird es nicht nur ehemaligen Staatsnahen erleichtern, in der BRD anzukommen (um einen in letzter Zeit viel diskutierten Begriff zu gebrauchen). Auch Helmut Kohl dürfte das Büchlein nicht nur wegen des Titelbildes gefallen, wird er doch durch ein beweiskräftiges Zitat (S. 91) mit dem von ihm hinsichtlich Amtsdauer leider noch nicht überrundeten Bismarck gleichgesetzt.