Eine Annotation von Helmut Eikermann
Larsen, Michael:
Ohne sicheres Wissen
Roman. Aus dem Dänischen von Lars Kruse.
Carl Hanser Verlag, München 1996, 272 S.

Dies ist ein ungewöhnlicher Krimi; einer, der mit literarischem Anspruch daherkommt. So etwas wird von Autoren wie von Freunden des Genres stets mit Vorsicht zur Kenntnis genommen, getreu der Brechtschen Maxime, die Kraft des Kriminalromans zeige sich in der Variation (s)eines Schemas.

Der Journalist Martin Molberg sucht den Mörder seiner Verlobten, einer Stewardeß, von der ihm nur ein pornografisches Foto geblieben ist. Und je mehr er über sie erfährt, um so größer wird seine Ungewißheit. Wie nicht anders zu vermuten, steckt viel mehr hinter der Affäre, als Molberg und der Leser anfangs ahnen. Nein, es handelt sich nicht einfach nur um Mord und Erpressung wie in jedem üblichen Krimi - es geht vielmehr um raffinierte digitale Bildmanipulation, wie sie uns jeden Tag auf dem Bildschirm vorgeführt wird, die hier für ein Verbrechen benutzt wird.

Ohne sicheres Wissen, der zweite Roman des dänischen Journalisten Michael Larsen (Jg. 61), ist ein erschreckendes Buch, subtil in den Details, mit nordisch-kühlem Abstand und understatement geschrieben. Selbst das Show-down über den Dächern von Los Angeles wirkt unterkühlt. Ist alles nur eine Fiction? Am Ende weiß der Leser so wenig wie Martin Molberg, wo die „Wahrheit“ liegt.

Immerhin scheint Brechts Forderung an den Krimi-Autor erfüllt: „Sie müssen ihm das geistige Training anmerken können, das Sie von jedem Varietékünstler verlangen, wenn Sie darauf bestehen, daß er bei seiner Arbeit lächelt.“


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 05/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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