Eine Annotation von Manfred Härtel
Gifford, Barry:
Gleißendes Licht
Geschichten aus der Tiefe der Nacht.
Deutsch von Walter Ahlers.
Wilhelm Heyne Verlag, München 1995, 174 S.

„... die Welt vom männlichen Geschlecht zu befreien“ - das ist der rote Faden, der sich durch all diese Geschichten zieht, die in vier Gruppen eingeteilt sind.

In „Nachtmenschen“ werden Big Betty Stalcup und Miss Cutie Early vorgestellt. Beide stammen aus zerrütteten Familien, haben früh mit Männern schlechte Erfahrungen gemacht und kommen mit dem Gesetz in Konflikt. In der Frauenstrafanstalt Fort Sumatra lernen sie sich kennen und lieben. Gemeinsam machen sie sich nach ihrer Entlassung auf den Weg, Amerika von der Spezies Mann zu säubern.

Die Problematik Abtreibung steht in „Das geheime Leben der Insekten“ im Mittelpunkt. Der Prediger der Kirche der Einen Hand ist ein eifriger Verfechter der Anti-Abtreibungs-Kampagne, während seine Schwester Dily, Vertreterin der Kirche der Anderen Hand, für die Abtreibung ist. Beatifica Brown hat bereits mit sechzehn Jahren eine verpfuschte Abtreibung hinter sich. Von einer Krankenschwester erlernt sie die fachgemäße Schwangerschaftsunterbrechung, bestreitet danach ihr Leben als illegale Abtreiberin und kommt deswegen ins Gefängnis. Nach Verbüßung ihrer Strafe unternimmt sie einen Rachefeldzug.

„Die Ballade von Easy Earl“ berichtet von einem Schwarzen, dessen Frau eine Abtreibung vorgenommen hat, woran die Ehe scheiterte. Aus Kummer darüber besucht er die Mexicali-Bar, in der er in eine Schießerei verwickelt wird. Auf der Flucht lernt er in einem Greyhoundbus die vierzehnjährige Marble Lesson kennen, die als einzige unverletzt bleibt, als der Bus wenig später durch Blitzschlag verunglückt und Easy Earl „wie ein Weihnachtsbaum“ aufleuchtet und verbrennt.

Von diesem Mädchen handeln die Geschichten in der letzten Gruppe: „Das Verbrechen der Marble Lesson“. Ihr arbeitsloser Vater, der ein verkorkstes Leben hinter sich hat, fährt mit ihr zu einem kleinen Flugplatz. Dort wird ein Mann mit handwerklichen Fähigkeiten gebraucht. Es stellt sich heraus, daß dieser Platz zum Einfliegen von Drogen aus Mittelamerika genutzt wird. Ein Drogenkurier aus Kolumbien will sich an Marble vergehen, aber dazu kommt es nicht mehr.

Giffords Stories sind von beeindruckendem Lakonismus. Sie erzählen von der gewöhnlichen Brutalität, vom alltäglichen Kampf der Geschlechter, von Mord und frühem Tod. Und dennoch blitzt im alptraumhaften Geschehen mitunter wie ein Spotlight tiefe Menschlichkeit auf...


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 05/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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