Eine Rezension von Jörg Witta

Ungesunde Suche nach Talenten

Peter-Paul Zahl: Lauf um dein Leben
Verlag Neues Leben, Berlin 1996, 220 S.

Es ist der vierte Kriminalroman, den Zahl nunmehr vorgelegt hat, und er spielt wieder auf der Karibikinsel Jamaika. Im Mittelpunkt steht der liebenswerte und lebenslustige Privatdetektiv Aubrey Fraser, Ruffneck oder Ruffi von seinen Freunden gerufen, der die Frauen, den Sex und natürlich seinen Spliff, die Marihuanatüte, liebt und der auch nicht ganz astreinen Geschäften keineswegs abgeneigt ist, sofern sie einen ordentlichen Gewinn versprechen. In diesem Roman agiert er als Bodyguard, der so manches durchmachen muß.

Ein wohlhabender amerikanischer Geschäftsmann, Mr. Wagner, ist in Jamaika auf der Suche nach jungen Sporttalenten. Er sucht sie auf der Straße, in abgelegenen Wohngegenden, in Schulen und Sportstätten und bindet sie billig an sich. Er will ihnen, wie er sagt, „eine Chance geben, den Traum wahrzunehmen, mit Talent und ihrem Hobby Geld zu verdienen“. Und er handelt gewiß nicht aus Uneigennutz oder ausschließlichem sportlichem Interesse, denn er weiß sehr wohl, wenn diese jungen Jamaikaner einmal auf dem Siegerpodest stehen, dann fließt auch in seine Taschen ein erkleckliches Sümmchen. Ruffneck bezeichnet das wohl zu Recht als eine Form des modernen Sklavenhandels.

Doch der clevere Geschäftsmann fühlt sich bedroht. Das ist eigentlich etwas verwunderlich, denn seine Tätigkeit ist legal, und man könnte fast meinen, ausschließlich sportlich begründet. Er engagiert schließlich Fraser, der sich zunächst sträubt, aber angesichts des fürstlichen Honorars einwilligt, als Leibwächter, der ihn nunmehr auf seinen Reisen durch das Land begleitet.

Mr. Wagner teilt Fraser nicht mit, von wem er sich bedroht fühlt, und macht so dessen Tätigkeit unnötig schwer. Immerhin gibt er zu, daß nicht alles so ganz legal zugeht: „Die Branche, in der ich arbeite, hat manchmal wirklich verfluchte Ähnlichkeit mit dem Organisierten Verbrechen.“

Wagner wird schließlich mit einem Präzisionsgewehr erschossen und Fraser dabei ziemlich schwer verletzt. Die Frage ist nun, warum und von wem wurde Wagner erschossen, oder sollte Fraser gar ermordet werden, wie die Polizei nicht ausschließt?

Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nimmt Fraser die Ermittlungen auf eigene Faust auf. Er stellt ein Team zusammen, bestehend aus seiner Familie, einer Freundin und seinem Freund, dem Polizisten Campell, genannt Prento. Man ermittelt zunächst in rivalisierenden Sportkreisen, aber vergeblich.

Die Hintergründe und der Auftraggeber für den Mord stellen schließlich für das Team und für den Leser eine echte Überraschung dar. Auch und gerade hier hat es der Autor gut verstanden, die liebenswerte Seite des Privatdetektivs herauszuarbeiten, der am Ende sogar Sympathie und Verständnis für die Mordgesellen hegt.

Der Verlag hat mit Zahls Lauf um dein Leben wiederum einen zu empfehlenden Kriminalroman veröffentlicht. Er ist spannend und gut geschrieben, mit viel Zuneigung zum jamaikanischen Volk, seinen Lebensgewohnheiten, Sorgen und Sehnsüchten. Der Autor hat diese Kriminalstory geschickt eingebettet in eine lehrreiche Schilderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, der Härten und der unsauberen Praktiken im Profisport samt einem durchaus angebrachten Exkurs in die Geschichte des Landes.

Es ist ein gutes, ein fesselndes Buch, das sicherlich bei manchem Leser Sehnsüchte hervorruft, ein Verlangen, dieses schöne Land mit seinen Menschen, den Gewohnheiten und Eigenheiten, dem Geschmack und dem Geruch der einheimischen Küche kennenzulernen und vielleicht gar einmal in die Fußstapfen von Privatdetektiv Fraser zu treten, der bei Sonne, Laune und schönen Frauen relativ unbeschadet so manche Gefahren übersteht.

Zahl hat einmal über die Absicht seiner Kriminalromane gesagt, daß er auch durch spannungsvolles Erzählen zum Nachdenken anregen will. Das ist ihm mit diesem Buch gewiß gelungen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 05/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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