Eine Rezension von Fritz Tonga

Leben und leben lassen

Peter-Paul Zahl: Teufelsdroge Canabis
Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1995, 222 S.

Peter-Paul Zahl legt nach Der schöne Mann und Nichts wie weg mit Teufelsdroge Canabis seinen dritten Kriminalroman vor. Er spielt wie die anderen zwei wiederum in Jamaika, der drittgrößten Insel der Großen Antillen, der Wahlheimat von Zahl.

Wieder ist es Ruffneck, genannt Ruff, ein lebenslustiger Privatdetektiv, der mit seinem Freund Presto, einem ehrlichen und gewissenhaften Polizisten, den Fall angeht. Diesmal handelt es sich darum, einen berüchtigten Rauschgifthändler unschädlich zu machen.

Nicht, daß Ruff und Presto etwas gegen den Hanfanbau hätten, der seit Jahrhunderten auf Jamaika betrieben wird. Sie selber rauchen bei jeder Gelegenheit den Spliff, den Joint, die Marihuanatüte. Es geht aber um die Machenschaften der großen Rauschgiftbosse, die, gedeckt von den korrupten Behörden, ungehindert ihren Geschäften nachgehen können und die die kleinen Hanfanbauer erbarmungslos erpressen.

Zahl versteht es auch mit diesem Buch die Kriminalstory auf geschickte und interessante Weise mit einer Betrachtung der kolonialen Vergangenheit, der gesellschaftlichen Zustände und des übermächtigen Einflusses der USA zu verknüpfen. Er macht uns vertraut mit liebenswerten Menschen, ihrer Fröhlichkeit, ihrem Kummer, ihren Leiden und ihren Sehnsüchten.

Die meisten Jamaikaner verleugnen nie ihre westafrikanische Herkunft. Sie sind stolz auf ihre „Roots“, auf ihre Wurzeln: „Jeder sollte wissen, wo ein Teil seiner Roots herkommen. Sonst fühlt man sich ganz fremd auf der Welt.“ Sie verachten den Staat, Babylon genannt, und die USA, die das Land mit einem System von Rauschgiftfahndern und Spitzeln überzogen haben. Presto: „Ich finde es verheerend, daß unsere Regierung es zuläßt, daß Polizisten, Soldaten und Drogenfahnder aus dem Ausland auf jamaikanischem Boden arbeiten. Das ist ein Ausverkauf der Souveränität...“

Viele der Jamaikaner sind offiziell auf seiten der Antidrogenbewegung und machen dennoch insgeheim ihr Geschäft mit der Droge. Auch Ruffneck schließt sich da nicht aus, etwas unüblich für einen privaten Gesetzesvertreter, aber so ist er nun mal, der liebenswerte und lebens- und liebeshungrige Ruff, der im übrigen auch sehr brutal werden kann, wenn er sich angegriffen fühlt.

Ruff und Prento handeln nach dem Prinzip: Leben und leben lassen. Nicht aber: selbst gut leben und andere krepieren lassen. Letzteres lasten sie den Rauschgiftbossen an. Geschickt stellen sie durch ihre Freunde einem einflußreichen Rauschgifthändler eine Falle, scheinbar etwas umständlich, aber „der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten ist nicht die Gerade, sondern der gekrümmte, sich schlängelnde Umweg“.

Es ist schon erstaunlich, wie die beiden um der Gerechtigkeit willen mit Drogenbossen umgehen, aber auch mit den verhaßten amerikanischen Drogenfahndern, die man auf listige Weise ganz einfach zu Ziegendieben macht, ein nahezu tödliches Vergehen für die jamaikanischen Farmer. Prentos Vorgesetzter, einer der wenigen nichtkorrupten Offiziere, sieht nachsichtig mit einem weinenden und einem lachenden Auge dem Treiben der beiden zu, die sich so mancher unlauterer Mittel bedienen.

Teufelsdroge Canabis ist ein spannender Kriminalroman, der durch eine plastische Schilderung der Lebensgewohnheiten des jamaikanischen Volkes und eine gesellschaftskritische Betrachtung gewonnen hat. Er leidet m.E. ebenso wie die beiden vorangegangenen Romane an einer Überlastung mit Slangausdrücken, die der Leser nur mit ständiger Hilfe des „Glossars“ verstehen kann.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 05/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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