Eine Rezension von Jörg Witta

Wer kennt schon Eiserbeck?

Tom Wittgen: ... liebes Kind, komm, geh mit mir
Argument Verlag, Hamburg 1995, 201 S.

dies.: Crossbody
Der Wrestling-Krimi.
Argument Verlag, Hamburg 1996, 205 S.

Ich mag Tom Wittgen, und ich mag Ingeburg Siebenstädt, denn beide sind ein und dieselbe und unterscheiden sich eigentlich nur durch die Namen. Unter dem Pseudonym Wittgen ist Siebenstädt in der DDR zu einer der bekanntesten KriminalschriftstellerInnen geworden. Sie wurde die „Agatha Christie der DDR“ genannt und 1994 für ihr Gesamtwerk mit dem deutschen Krimipreis Ehren-Glauser ausgezeichnet.

1932 in Wittgendorf bei Chemnitz geboren, arbeitete sie lange Zeit als Lektorin, bis sie sich der Kriminalliteratur zuwandte. Mit dem fiktiven Privatdetektiv Georg Eiserbeck hat sie einen überaus sympathischen Kriminalisten geschaffen, der mit viel Herz, Humor und einer gesunden Neugier an die Lösung seiner Fälle geht. Und warum er die teilweise sehr komplizierten Probleme klären kann, sagt er, überzeugt von sich, selbst: „Weil ich Georg Eiserbeck bin. Weil ich einen Sack voll Menschenkenntnisse mit mir rum schleppe.“

Bei „... liebes Kind ...“ handelt es sich um das neunjährige Mädchen Britta, das in einem Supermarkt klammheimlich eine Stoffpuppe geklaut hatte und natürlich erwischt wurde. Und genau zu dieser Zeit wurde ihr kleiner Bruder mit dem vor der Halle abgestellten Kinderwagen entführt. Eiserbeck, der Zeuge des Diebstahls wird und sich von der Kleinen die Entführung ihres Bruders schildern läßt, bietet seine Hilfe an.

Doch erstaunlicherweise leugnen die Eltern das Verschwinden des kleinen Sohns, des Spätkömmlings. Und Eiserbeck vermutet Arges in der Familie. Aber da tauchen auch noch ein paar Knastbrüder auf, die sich gegenseitig verdächtigen und sich doch wieder in Schutz nehmen; auch Ehefrauen spielen eine sehr undurchsichtige Rolle. Und schließlich geht es um ein sehr dubioses Immobiliengeschäft mit sehr viel Geld. Und vielleicht gibt es da gar einen Trittbrettfahrer?

Die Geschichte ist ohne Zweifel spannend und bis zum Schluß interessant erzählt - und auch die Lösung des Falls wird den Leser überraschen.

In Crossbody widmet sich Wittgen/Siebenstädt einem gänzlich anderen Problem. Der Kriminalroman ist angesiedelt in der Sportszene, dem Wrestling-Sport. Ich mag diese Sportart nicht besonders, weil ich nie unterscheiden kann, was ist Show und was ist wirkliche sportliche Leistung. Ich habe dennoch zu diesem Buch gegriffen, weil ich die Autorin schätze und weiß, daß ich von der Spannung nicht enttäuscht sein werde. Und meine Erwartung wurde bestätigt.

Wittgen läßt uns teilhaben an dem Welt-Cup-Turnier der Wrestler in Hannover. 50 Tage lang messen sich hier Athleten aus vielen Ländern der Welt, die vor und während der Kämpfe sehr viel Show abziehen. Aber, so sagt der Spielleiter, „das sind Gaukler, Rabauken und prachtvolle Athleten in einem“.

Und hier passiert ein Mord. Der ärgste Herausforderer des Champions Rambo, der Mex, wird ermordet aufgefunden - und Rambo wird gar am Tatort gesehen. Beide hatten vor dem Kampf auf einer Pressekonferenz Drohungen ausgestoßen, daß sie sich gegenseitig umbringen würden. Keiner nahm das so ernst, denn so etwas gehörte nun mal zum Show- Geschäft.

Rambo gerät unter Mordverdacht, aber bald gibt es noch mehrere Verdächtige. Und hier gibt ein langer Brief, der auf eine ganz andere Spur hindeutet, den entscheidenden Hinweis, wer den Mord begangen haben könnte. „Alles hat seine Zeit“, läßt Wittgen einen der Akteure sagen, „auch die Rache.“


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 05/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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