Eine Rezension von Bernd Sander

Ich habe sie bestraft

Andreas Franz: Jung, blond, tot
Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München 1996, 511 S.

Die Polizei steht vor einem Rätsel, und die Bevölkerung von Frankfurt am Main ist schockiert und fürchtet weitere Opfer, möglicherweise in der eigenen Familie. Ein erbarmungsloser Sadist treibt sein Unwesen inmitten der Stadt. Junge Mädchen werden tot aufgefunden. Sie wurden vergewaltigt und vorher oder nachher bestialisch ermordet. Alle Morde tragen die gleiche Handschrift: Die rechte Brust war fein säuberlich abgetrennt, die Augen herausgestochen, das Schambein von innen zertrümmert, schreckliche Bißwunden an Brust, Zunge und Ohren.

Alles waren junge Mädchen mit langem blondem Haar. Den Leichen hatte der Mörder auf makabre Weise Hände und Beine gekreuzt, ihre Haare zu zwei Rattenschwänzen geflochten und rote Bändchen darum gebunden.

Kommissarin Durant, die den Fall leitet, hat zunächst fast keinen Anhaltspunkt, wer der Täter sein könnte, und wo man überhaupt mit der Suche beginnen sollte. Es gibt lediglich ein paar Samen- und Speichelreste, die man aber keinem der einschlägig Vorbestraften zuordnen kann. Sicher ist nur, daß es sich um einen Serienmörder handelt, der, psychisch hochgradig gestört, einen perversen Drang zur Bestialität hat, unberechenbar und damit höchst gefährlich ist.

Nur der Leser, nicht aber die Polizei, erfährt im Prolog die mögliche Ursache für das Morden: Die Mutter des Täters, jung und blond, ist eine Prostituierte, die ihren kleinen Jungen in einen dunklen Raum sperrt, wenn sie ihre Kunden empfängt. Hier fehlt dankenswerterweise jeglicher Hinweis auf den Mörder, und dem Leser bleibt es bis zum Schluß überlassen, sich an den Prolog zu erinnern, dessen Aussage erst am Ende wieder aufgegriffen wird.

Endlich hat die Polizei eine Spur, eine Vermutung, die sich zunehmend erhärtet. Sie führt aber in die höchsten Kreise der Stadt, und damit wird es für die Ermittler zunehmend schwieriger. Sie stoßen auf eine Mauer eisigen Schweigens. Das ist insofern sehr verwunderlich, kommen doch die Opfer fast alle aus dieser begüterten Schicht - und jeden Tag kann erneut ein junges blondes Mädchen aus diesen Kreisen ermordet werden.

Da ist zunächst der schwerreiche und einflußreiche Menzel, in dessen Villa Sexorgien gefeiert und Drogen konsumiert werden. Menzel versorgt seine Geschäftsfreunde mit blutjungen Mädchen, teilweise erst 13 und 14 Jahre alt. Und eines der jungen blonden und ermordeten Mädchen ist von Menzel schwanger...

Und da sind die wohlhabenden und angesehenen Ärzte Patanec und Tomlin, die bei Menzel häufig zu Gast waren und die einige der Opfer behandelt hatten. Aber alles basiert zunächst nur auf Vermutungen. Und wie so häufig ist es nunmehr der Zufall, hier ein schier unglaublicher Zufall, der Durant schließlich auf die richtige Spur bringt.

Und der Mörder, schließlich überführt, aber keineswegs zerknirscht oder reumütig, rechtfertigt seine scheußlichen Handlungen mit den Worten: „Alle Blonden sind Huren. Ich habe sie bestraft.“

Andreas Franz, 1954 in Quedlinburg geboren, hat mit Jung, blond, tot einen sehr interessanten und spannungsdichten Kriminalroman vorgelegt, der mit viel psychologischem Spürsinn und kriminalistischer Genauigkeit geschrieben ist. Es ist zwar ein emotionsgegeladenes Buch, aber der Autor läßt sich davon nicht treiben, sondern behält durchgängig die Klarheit seiner Gedankenführung bei. Dem Leser fällt es auf interessante Weise leicht, den Ermittlungen der Polizei zu folgen; er wird gewissermaßen in ihre Arbeit einbezogen - und ist sichtlich von der Lösung des Falls überrascht.

Franz wird von den Literaturkritikern als ein neues Talent im Genre der Spannungsliteratur bezeichnet. Mit diesem Roman verdient er das Lob zu Recht.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 05/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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