Analysen · Berichte · Gespräche · Essays

Klaus M. Fiedler

Ein Mann - drei Gesichter

Mani Beckmann und sein zweiter Krimi

Ein wenig traurig schaut Mani Beckmann zunächst drein. „Was denn - mehr kommen nicht?“ fragt er angesichts der vier Leute, die in der kleinen Buchhandlung verlegen herumstehen. Eine Lesung vor vier Leuten? Na schön, als junger Autor muß man auch durch dieses Tal des Nicht-bekannt-Seins, und der Aufstieg in den Olymp der Popularität ist mühsam. Beate Klemm, die engagierte Betreiberin des Buchladens „LESEN und lesen lassen“ in der Friedrichshainer Wühlischstraße (siehe auch LESEZEICHEN 12/1996), bleibt gelassen. „Die meisten kommen immer ein bißchen später“, macht sie dem Jung-Autor Hoffnung. Sie kennt ihre Pappenheimer aus dem Kiez und baut auf deren Neugierde und Wissensdurst. Knapp drei Dutzend Zuhörer sind es schließlich, die sich in dem kleinen Raum drängen. Und Mani Beckmann, nun entspannter, kann einen Schluck Wasser nehmen und aus seinem zweiten Krimi Tabu (erschienen bei Klein & Blechinger, einem kleinen Verlag aus dem Kölner Raum) lesen, einer in Kreuzberg angelegten Mordgeschichte.

Der Autor, ein gebürtiger Westfale, der seit zehn Jahren in Berlin lebt, als freier Drehbuchlektor für den WDR arbeitet und mit Die Kette (Verlag Neues Berlin) debütierte, hat sichtlich Spaß an seiner Geschichte und an den Figuren, die er auftreten läßt. Er geht mit ihnen, wie er später im Gespräch zugeben wird, schadenfroh um, lacht mit ihnen und über sie. Tabu ist eine mörderische Tragikomödie und erzählt von Liebe und Eifersucht, von Rache und Tod. Beckmann erzählt seine Geschichte aus der Sicht von drei Leuten: von Gottfried Wigger, einem Privatdetektiv, von Kati Hinrichs, der Freundin der ermordeten Katrin Göhrke, und von Georg Lünterbusch, Katis Freund. Erstaunlich die Souveränität, mit der Beckmann ohne Mühe in die unterschiedlichen Personen schlüpft; er meistert diesen Sprung in eine andere Identität derart geschickt, daß bis zum Schluß offen bleibt, wem seine Sympathie gehört und wem nicht. Das Geschehen, Alltägliches oft, wird durch diese Drei-Dimensionalität plastisch. Man müsse, sagt man doch gern, eine Sache von mehreren Seiten betrachten, um sie objektiv bewerten zu können. Mani Beckmann tut es in Tabu - mit Erfolg. Er präsentiert auch relativ früh den Täter, doch ist damit nicht die Spannung aus dem Buch genommen. Die Neugierde auf noch Unausgesprochenes, auf noch nicht Gedachtes bleibt. Und am Ende das Wissen, daß niemand (außer dem Leser) den wahren Täter kennt. Nicht die Polizei und Kommissar Schalck, nicht Privatdetektiv Wigger, nicht Heinz Göhrke, der Mann der Toten. Alle wurden in die Irre geführt und verdächtigten Unschuldige. Das Geständnis des Täters aber wird - dank der geschickten Komposition des Krimis - nur dem Leser mitgeteilt. Und der verrät nichts.

Auch Mani Beckmann verrät an diesem Abend nichts. Er will nach gut einer Stunde seine Lesung beenden, doch das Publikum fordert mehr. So gibt er noch zwei, drei Zugaben, sorgsam ausgewählt, um nicht zu viel zu sagen und um die Neugierde wachzuhalten. Schließlich soll Tabu ja unter die Leute, zu seiner Freude und zur Freude der gastgebenden Buchhändlerin im LESEN und lesen lassen.

Mani Beckmann: Tabu. Klein & Blechinger, Elsdorf 1997, 238 S.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 05/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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